Edith Stein in Würzburg

Bezüge zu Edith Stein in Würzburg

In Würzburg bat Edith Stein im Frühjahr 1932 um Aufnahme in den Karmel. Zum ersten Mal weilte Edith Stein wohl Ende der 20er Jahre in Würzburg, meistens auf der Durchreise von Breslau nach Speyer. Zunächst besuchte sie mehrmals zwei ehemalige Schülerinnen, die Dominikanerinnen Sr. Callista Kopf und Sr. Immolata Matheis, die in Würzburg studierten. Edith Stein hatte sie im Lehrerinnen-Seminar St. Magdalena in Speyer unterrichtet (1923-1931). Später – 1932 auf der Durchreise nach Juvicy – traf sie ihre Schulfreundin Käthe Ruben im Missionsärztlichen Institut.

Mehr...

Zu Würzburg hatte Edith Stein bereits von ihrer Heimatstadt Breslau aus eine Beziehung über ihr Studium: Sie lernte 1911/12 die damals viel diskutierte „Würzburger Methode“ kennen, die zurück ging auf Oswald Külpe (1862–1915), dem Begründer der „Würzburger Schule der Denkpsychologie“. (ESGA 1, 155, 170)

In Würzburg selbst weilte Edith Stein wohl erst Ende der 20er Jahre, meistens auf der Durchreise von Breslau nach Speyer. Zunächst besuchte sie mehrmals zwei ehemalige Schülerinnen, die Dominikanerinnen Sr. Callista Kopf und Sr. Immolata Matheis, die in Würzburg studierten. Edith Stein hatte sie im Lehrerinnen-Seminar St. Magdalena in Speyer unterrichtet. Aus ihren Briefen erfahren wir von 3 Besuchen: im Juli und zu Weihnachten 1929 (ESGA 4, Br. 127 u. 131) und am 27. April 1930 (ESGA 4, Br. 135 u. 136). Sr. Callista wohnte in der Peterpfarrgasse 3; noch heute gibt es dort Geistliches Leben der Oberzeller Franziskanerinnen.

Auch eine Schulfreundin aus Breslau (ESGA 1, 108) besuchte Edith Stein in Würzburg. Käthe Kleemann war mit ihrem Mann, dem Arzt Albert Ruben, ebenfalls zum Glauben an Jesus Christus gekommen; beide gingen nach Südafrika zu den Missionaren von Mariannhill, die es noch immer in Würzburg gibt. Edith Stein traf das Ehepaar am 4.9.1932 auf der Durchreise von Breslau nach Paris auf dem Weg zum Kongress der Thomas-Gesellschaft über Phänomenologie. Später schrieb Kaethe Ruben an Teresia Renata Posselt: „Ich hatte das Interesse für meine Jugendgespielin nie verloren. Ich hörte auch von ihrem Übertritt zum Katholizismus. Das war für mich eine sehr merkwürdige Erfahrung. Ich wußte doch, daß Frau <Auguste> Stein alles andere als tolerant war. Ich wußte ferner, wie leidenschaftlich Edith an ihrer Mutter hing, nicht minder diese an ihr. Ich wußte auch, wie gleichgültig Edith religiösen Fragen gegenüber gestanden hatte. Im Religionsunterricht – der freilich unerhört schlecht war – war selbst ihr Ehrgeiz am Ende. Wie mußte sie sich verändert haben!“ Als sie sich in Breslau, vor diesem Besuch in Würzburg, zu Spaziergängen wieder trafen, beobachtete Kaethe Ruben: „Aber wie hatte sie selbst sich verändert! Wo Ehrgeiz gewesen war, da war nur noch ruhige Abgeklärtheit, wo Egoismus gewesen war, da war nur noch Verstehen und Güte. Mit unendlicher Geduld hat sie mit mir diskutiert, diskutiert und getröstet. Über Persönliches, über Glaubensfragen, über Philosophie, über alles, was uns bewegte. Wir waren einander ganz nahe. Sie ist auch meine Patin geworden. … Bis zuletzt, bis zum Kriegsausbruch, hat sie uns noch oft und eingehend nach Südafrika geschrieben und von ihrem Glück, das sie voll und ganz im Karmel gefunden hat.“ Ihr Mann, Dr. Albert Ruben, schrieb über Edith Stein: „In Kürze war ich in der Diskussion total geschlagen, aus dem Sattel gehoben, denn in ihrer ruhigen Art, niemals auch nur einen Augenblick die Stimme erhebend, formvollendet und doch nicht prätentiös, sagte sie mir die unerbittlichsten Wahrheiten.“[1]

Im „Missionsärztlichen Institut“ (2017 mit dem Julius-Spital zu „Klinikum Würzburg Mitte“ zusammengeschlossen) sprach Edith Stein am 5.9.1932 mit dem Salvatorianer-Pater Christoph Becker, der dieses Laien-Institut 1922 gegründet hatte, um Ärzte in die Mission zur Entwicklungshilfe nach Afrika auszusenden. Zum Missionsärztlichen Institut gehörte „Mariannhill“, das Provinzialat der deutschen Provinz der Mariannhiller Missionare, benannt nach der Trappistenabtei Mary-Anne-Hill in Südafrika (von Wendelin Pfanner 1825 gegründet). Zum Gebäudekomplex in Würzburg gehört auch ein Schwesternhaus, evtl. hat Edith Stein dort übernachtet[2], und wohnte in der Herz-Jesu-Kirche der Eucharistiefeier bei. Später – in Köln – brachte ihr ein Mariannhiller Missionar, P. Rhabanus Laubenthal CMM, Anfang 1939 das Manuskript „Aus dem Leben einer jüdischen Familie“ von Köln nach Echt; sie hatte den Arzt Dr. Paul Strerath, der sie selbst im Auto nach Echt brachte, nicht damit belasten wollen.

Edith Stein erhielt als Laien-Christin (11 Jahre) viele geistliche Impulse aus unterschiedlichen Orden: den Benediktiner (Beuron), Dominikanerinnen (Speyer), Zisterzienserinnen (Seligenthal/Landshut), Ursulinen (Dorsten); dennoch wählte sie für sich den Orden der Karmeliterinnen. Als sie im März 1933 spürte, dass ihre Berufstätigkeit für sie als geborene Jüdin ein Ende finden würde, erwachte in ihr wieder die Sehnsucht nach dem Karmel, benannt nach dem Berg Karmel in Israel, auf dem der Prophet Elia eine Gottesbegegnung hatte. Seit ihrer Lektüre der Autobiographie der Teresa von Avila aus der Bibliothek der Familie Reinach in Göttingen (Sommer 1921) trug sie diese Sehnsucht in sich, hatte aus Rücksicht auf ihre jüdische Mutter sich diesen Schritt jedoch verwehrt. Im Frühjahr 1932[3] bat Edith Stein dann allerdings – nach mündlichen Überlieferungen – zunächst im Karmel Himmelspforten in Würzburg um Aufnahme.[4] Die Novizenmeisterin und spätere Priorin Sr. Magdalena Amann erzählte von der Begegnung mit Edith Stein – an dieses Gespräch erinnert sich wiederum Max Rößler.[5] Sie riet Edith Stein vom Eintritt in Würzburg ab, weil sie ernsthafte Probleme mit dem seit 1928 amtierenden berüchtigten NSDAP-Gauleiter für Unterfranken-Mainfranken, Otto Hellmuth, fürchtete. Vielmehr empfahlen sie und die damalige Priorin Sr. Brocarda, Edith Stein solle sich an einen Schweizer Karmel wenden, was sie dann tatsächlich allerdings erst kurz vor ihrem Lebensende tat. Als Edith Stein ein Jahr nach dem Besuch im Würzburger Karmel im Gebet am 30.4.1933 in St. Ludgeri, Münster, die innere Sicherheit über ihre Berufung erhielt und Mitte Mai wohl die Zustimmung ihres Geistlichen Begleiters Erzabt Raphael Walzer erreichte, bat sie im Kölner Karmel um Aufnahme und fand sie dort auch.

Zweimal noch hatte Edith Stein während ihrer Zeit im Orden (9 Jahre) Kontakt mit Würzburg, beide Male ging es um ihre schriftstellerische Tätigkeit – ungewöhnlich für Karmelitinnen: Aus Würzburg erhielt sie am 28.4.1924 (ESGA 3, Br. 319 u. 332) vom P. Provinzial Theodor Rauch (1890-1972) und dem bischöflichen Ordinariat die Druckerlaubnis für die Lebensbeschreibung „Die hl. Teresia Margareta (Redi) vom Herzen Jesu (1747-1770)“, die im Rita-Verlag (Würzburg) erschien (ESGA 19, 115-126). Und am 8.1.1937 antwortete ihr P. Theodor Rauch aus Würzburg positiv auf ihre Bitte, ihr Hauptwerk „Endliches und ewiges Sein“ veröffentlichen zu dürfen. Es musste dazu von P. Provinzial (das war inzwischen Heribert Altendorfer, 1883-1953) und zwei weiteren Gutachtern, die sie sich selbst aussuchen sollte, auf Widersprüche gegen den Glauben hin untersucht werden (ESGA 3, Br. 490). Von kirchlicher Seite gab es nichts an ihrem Werk über die Verbindung von menschlichem und göttlichem Leben auszusetzen, doch der nationalsozialistische Unrechtsstaat verhinderte den Druck, so dass erst im demokratischen Rechtsstaat ihr „Versuch eines Aufstiegs zum Sinn des Seins“ erscheinen konnte. (1950, jetzt ESGA 11/12)

Dr. Beate Beckmann-Zöller (München, 2017; ergänzt 2020)

[1] Posselt, Renata, Edith Stein, Nürnberg 1948, 50f.
[2] Neyer, Amata, „Edith Steins Studienreise 1932 nach Paris. Teil 1: Von Breslau nach Würzburg, ESJ 2005, Bd. 11, S. 31-65, S. 63.
[3] In ihrer Autobiographie „Wie ich in den Kölner Karmel kam“ schreibt Edith Stein, sie habe zweimal P. Raphael Walzer gebeten, in den Ordensstand eintreten zu dürfen, einmal vor ihrem ersten Semester in Münster (Frühjahr 1932) und einmal danach, beide Male wurde es ihr verwehrt (ESGA 1, 351).
[4] In der Biographie von Sr. Teresia Renata de Spiritu Sanctu Posselt gibt es bis 1954 eine Fußnote in den Ausgaben im Verlag Glock und Lutz (Nürnberg), die ab 1957 im Herder-Verlag wegfiel: „Edith Stein bat um Aufnahme im Karmel Himmelspforten bei Würzburg, erhielt sie aber nicht.“ 1987 erst gab es weitere Zeugnisse anlässlich der Seligsprechung, die von Waltraud Herbstrith zusammen getragen wurden in: „Edith Stein begegnet dem Karmelitinnen-Kloster in Würzburg (Quelle: Würzburger Archiv, verwaltet von Sr. Maria Pabst)“, in: Dies. (Hg.), Edith Steins Unterstützer. Bekannte und unbekannte Helfer während der NS-Diktatur, Berlin 2010, 73-80.
[5] Rößler, Max, „Als Edith Stein in Würzburg weilte“, in: Würzburger Sonntagsblatt, 10.5.1987.