Hamburg

Zu ihrer ältesten Schwester Else nach Hamburg

Ostern 1906 – Edith Stein ist 14 Jahre alt – verlässt sie die Schule, weil sie „das Lernen zunächst einmal satt hatte“ (ESGA 1, 106) und fährt zu ihrer ältesten Schwester Else nach Hamburg, die dort mit einem Vetter ihrer Mutter, Max Gordon, verheiratet ist und ihr zweites Kind erwartet. Sie bleibt schließlich zehn Monate.

Diese Zeit bezeichnet sie später als „eine Art Puppenstadium“. Sie liest viel, denkt nicht weiter über ihre Zukunft nach, lebt aber in der Überzeugung, dass ihr „etwas Großes bestimmt sei“ (ESGA 1, 109).

Sowohl ihre Schwester als auch ihr Schwager sind „völlig ungläubig“, „Religion gab es in diesem Hause überhaupt nicht“, schreibt sie in ihrer Biografie („Aus dem Leben einer jüdischen Familie“, ESGA 1). Und sie fügt hinzu: „Hier habe ich mir auch das Beten ganz bewußt und aus freiem Entschluss abgewöhnt.“ (ESGA 1, 106f.)

Als sie wieder zurück in Breslau ist, bedauert sie, nicht aufs Gymnasium gegangen zu sein und nimmt Nachhilfeunterricht, um das Versäumte nachzuholen. Nach der Aufnahmeprüfung kehrte sie ans Gymnasium zurück.

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Edith Stein und Hamburg

Edith Steins älteste Schwester Else war mit dem Arzt Dr. Max Gordon in Hamburg verheiratet. So ergab sich, daß Edith Stein im Laufe der Jahre mehrfach im Hause ihrer Schwester weilte. Der für die Glaubensbiografie von Edith Stein entscheidende Aufenthalt fand 1906 statt. Die 14 ½ jährige hatte Ostern nach Abschluss der neunklassigen höheren Mädchenschule keine Lust mehr zum Lernen, sich von der Schule abgemeldet und war nach Hamburg zu ihrer Schwester gefahren, die ihr zweites Kind erwartete. „Hier habe ich mir das Beten ganz bewusst und aus freiem Entschluss abgewöhnt“, schreibt Edith Stein später in ihren Erinnerungen. (ESGA 1, 106f.)

In Hamburg lernte sie schon 1904 die dreijährige Ruth Kantorowicz kennen, die einzige Tochter eines befreundeten Arztehepaares. Beide hatten später über Familie Gordon Kenntnis von ihrem je eigenen Lebensweg. Im Kölner Karmel erhielt Edith Stein die Nachricht, daß die inzwischen in Volkswirtschaft promovierte Ruth als nicht arische Mitarbeiterin im August 1933 aus dem Dienst der Öffentlichen Bücherhallen Hamburg entlassen worden war. Wie und wodurch Ruth den Weg zur katholischen Kirche gefunden hat, ist nicht bekannt. Am 8. September 1934 wurde sie in der Pfarrkirche St. Elisabeth von Pater Joppen SJ getauft. Edith Stein schrieb ihr hierzu am 4. Oktober: „Legen Sie alle Zukunftssorgen vertrauensvoll in Gottes Hand und lassen Sie sich von Ihm ganz wie ein Kind führen. Dann sind Sie sicher, daß Sie Ihren Weg nicht verfehlen können. Wie der Herr Sie in Seine Kirche geholt hat, so wird Er Sie auch auf den Platz darin führen, an dem er Sie haben will.“ (ESGA 3, Br. 341) Der Platz in der Kirche für Dr. Ruth Kantorowicz war, mit Edith Stein und weiteren Passionsgefährtinnen und Gefährten den Weg nach Auschwitz nehmen zu müssen, wo sie am 9. August 1942 ermordet wurden. Sie gehört zum Martyrologium des Erzbistums Hamburg.

Im Kölner Karmel werden im Edith-Stein-Archiv die persönlichen Dokumente von Ruth Kantorowicz aufbewahrt.

Elisabeth Prégardier (2000)