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Wahrscheinlich lernte Edith Stein Prag Ende August 1930 kennen, als sie zur Akademiker-Tagung nach Salzburg fuhr. Sie war sehr beeindruckt!
Wahrscheinlich lernte Edith Stein Prag kennen, als sie im August 1930 die Reise nach Salzburg über Prag machte (vgl. ESGA 2, Nr. 97). Ob und wo sie dort übernachtet hat oder was sie besichtigt hat, wissen wir bisher nicht.
Später denkt Edith Stein über das „Gnadenbild“ des „Prager Jesulein“ nach und interpretiert es in Bezug auf die politische Situation im Nationalsozialismus[1]:
„Gestern kam mir vor dem Bildchen des Prager Jesulein auf einmal der Gedanke, daß es ja den kaiserlichen Krönungsstaat trägt und sicherlich nicht zufällig gerade in Prag mit seiner Wirksamkeit zum Vorschein gekommen ist. Prag ist ja doch Jahrhunderte hindurch der Sitz der alten deutschen bzw. ‚römischen Kaiser‘ gewesen und macht einen so majestätischen Eindruck, daß sich keine andere Stadt, die ich kenne, damit messen kann, auch Paris und Wien nicht.
Das Jesulein kam gerade [nach Prag], als es mit der politischen Kaiserherrlichkeit in Prag zu Ende ging. Ist es nicht der ‚heimliche Kaiser‘, der einmal aller Not ein Ende machen soll? Es hat ja doch die Zügel in der Hand, wenn auch die Menschen zu regieren meinen.“[2]
Das „Prager Jesuskind“ ist ein Gnadenbild in der Prager Karmeliten-Kirche „St. Maria vom Siege“ auf der Prager Kleinseite. Es ist eine 47 cm große Wachsfigur, deren Verehrung wohl auf Teresa von Ávila zurückgeht.
Wahrscheinlich ist die Prager Figur eine Nachahmung einer Statue aus einem Kloster zwischen Cordoba und Sevilla. Sie gelangte über Dona Isabel Manrique de Lara y Mendoza und ihre Tochter Maria Manrique de Lara nach Prag. 1628 kam die Statue in das Kloster der Karmeliten Maria vom Sieg.
Abbildungen der Statue, die das Jesuskind im Alter von etwa 3 Jahren darstellt, sind noch heute in fast allen Klöstern des Karmel verbreitet. Auch in Echt besaß man eine solche Figur.
Das Karmel-Kloster von Köln-Lindenthal war dem „Gnadenreichen Prager Jesuskind“ geweiht; eine Nachbildung des Prager Jesuskindes befand sich im Innern der Kirche St. Josef. (ESGA 2, Br. 264 an Petra Brüning, 26.7.1933, Anm. 2)
Edith Stein übersetzte 1941 das folgende Gebet ins Niederländische:
„O Jesulein, zu Dir fliehe ich,
durch Deine Mutter bitt‘ ich Dich,
Aus dieser Not NN. woll‘st retten mich;
denn wahrhaft glaube ich an Dich,
dass Du, o Gott, kannst schützen mich.
Vertrauend hoffe ich auf Dich,
dass Deine Gnad‘ wird finden ich.
Aus ganzem Herzen lieb‘ ich Dich,
drum meine Sünden reuen mich,
von denen, flehend bitt‘ ich Dich,
O Jesus, woll‘st befreien mich.
Mein Vorsatz ist, zu bessern mich,
und nicht mehr zu betrüben Dich
darum Dir ganz ergeb‘ ich mich,
zu leiden mit Geduld für Dich
und Dir zu dienen ewiglich.
Den Nächsten aber gleich wie mich
will wegen Deiner lieben ich.
O Jesulein, ich bet‘ an Dich,
O mächt‘ges Kind, ich bitte Dich,
aus dieser Not NN. woll‘st retten mich;
dass einstens kann genießen ich
mit Joseph und Maria Dich
und allen Engeln ewiglich.
Amen. Amen. Amen.
(ESGA 20, „Gebed von P. Cyrillus“, 389-93)
Edith Stein übersetzte 1941 dieses Gebet aus dem Deutschen ins Niederländische. Es stammt von P. Cyrillus Schockweiler OCD (1590-1675), der in seinem Prager Noviziat das Gnadenbild dort kennen- und lieben gelernt hatte. Er hatte es zu neuen Ehren gebracht.
Amata Neyer (1922-2019), Beate Beckmann-Zöller (2020)
[1] Vgl. dazu: Schandl, Felix Maria, „‚Meine ganze Kraft gehört dem großen Geschehen‘. Edith Stein (1891–1942) in und zu beiden Weltkriegen“, ESJ 2015, 33-73, hier 72f.
[2] ESGA 3, Br. 726, 2.2.1942, an Johanna von Wersth.