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Dr. Beate Beckmann-Zöller, München
Immer wieder hören wir in Vorträgen und Predigten oder lesen in Artikeln das historisch falsche Detail, dass sich Edith Stein in einer einzigen Nacht in Bergzabern gleichzeitig zum Christentum und zur katholischen Kirche bekehrt habe, als sie „zufällig“ die Lebensgeschichte der Hl. Teresa von Ávila aus dem Bücherschrank ihrer Freundin Hedwig Conrad-Martius herausgezogen und in einem Zug durchgelesen habe. Dieser biographische Irrtum wird hartnäckig weitergegeben, so dass Brigitte Grimm in ihrer Abschlussarbeit zur zertifizierten Gästeführerin in Bad Bergzabern zu Recht das Urteil fällt: „Über die Herkunft dieses Buches besteht in der Literatur keine Einigkeit.“[1]
Die Autobiographie der Teresa von Ávila hatte Edith Stein nicht aufs Gradewohl aus der Bibliothek der Familie Conrad in Bergzabern herausgegriffen. Sie hatte den Band bewusst aus der Bibliothek der Familie Reinach in Göttingen ausgewählt, die ihr ihn als ein Geschenk zum Abschied für die Zugfahrt nach Bergzabern mitgab. Der Irrtum der ersten Biographin Teresia Renata Posselt (Edith Steins Novizenmeisterin Sr. Teresia de Spiritu Sancto) über dieses Detail in ihrer Biographie Edith Stein, eine große Frau unseres Jahrhunderts (Nürnberg 1948) konnte später von der Augenzeugin Pauline Reinach aufgeklärt werden, hatte sich jedoch bereits in vielen Biografien und Übersetzungen verbreitet, bis ihre Aussage in Deutschland bekannt wurde.
Im Folgenden soll die Entstehung der biographischen Streitfrage (1. Kapitel), die historisch durch die Augenzeugin Pauline Reinach unter Eid seit 1965 auf Französisch, 1983 auf Deutsch, eindeutig geklärt ist, nachverfolgt und aufgeklärt werden. In der Biografie-Forschung zu Edith Stein wird häufig der Unterschied vernachlässigt, den Edith Stein jedoch selbst nachdrücklich betonte, wie P. Johannes Hirschmann von seinen Gesprächen mit ihr im Karmel Echt berichtete[2]: nämlich der Unterschied zwischen ihrer Bekehrung zum Christentum 1918 (2. Kapitel) und ihrer Konversion zur katholischen Kirche (1921, Taufe 1.1.1922), zum „wahren Glauben“, wie sie selbst es formulierte (3. Kapitel). Dem ging die Auseinandersetzung mit den beiden ihr bekannten Konfessionen evangelisch und katholisch voraus, angeregt durch Gespräche mit ihrer evangelischen Patin Hedwig Conrad-Martius. Ob Edith Stein vor ihrer „geistigen Wiedergeburt“ und, nachdem sie sich von der Praxis der jüdischen Religion entfernt hatte, wohl Atheistin war, dieser Frage soll im 4. Kapitel nachgegangen werden.
Wie kam es zu der „Legende“, Edith Stein habe sich in einer Nacht in Bergzabern durch die Autobiographie Teresa von Ávilas aus der Bibliothek von Hedwig Conrad-Martius bekehrt?
Zwar war Edith Stein bereits seit 1918 Christin im geistigen Sinne einer inneren Wiedergeburt gewesen, sie hatte sich jedoch bisher nicht zu einer Taufe und damit einem Eintritt in eine bestimmte Konfession hinein entschieden (siehe unten 2. Kapitel). Im Sommer 1921 las sie nun tatsächlich die Autobiographie der Teresa von Ávila, die sie jedoch in Göttingen aus der Bibliothek der Familie Reinach ausgewählt und geschenkt bekommen hatte, und entschied sich daraufhin, in die katholische Kirche einzutreten. Gleichzeitig verfolgte sie ursprünglich damit den Wunsch, ein entschieden eheloses Leben als Karmelitin zu führen; das schob sie allerdings aus Rücksicht auf ihre Mutter bewusst auf (ESGA 1, 351). Der Wunsch kehrte jedoch Anfang der 30er Jahre wieder und konnte am 15.10.1933 im Karmel Köln verwirklicht werden.[3]
Dass Teresa von Ávila Edith Stein zur Konversion geführt hat, bestätigt sie selbst eher beiläufig im Brief an ihren Mitstudenten Fritz Kaufmann am 17.10.1933: „[…] bin ich am letzten Samstag hier in das Kloster der Karmeliterinnen eingetreten und damit eine Tochter der hl. Teresia geworden, die mich einst zur Konversion geführt hat.“ (ESGA 3, Br. 291). In ihrem Bericht „Wie ich in den Kölner Karmel kam“ vom 18.12.1938 formulierte Edith Stein sachlich, ohne weitere Ortsangabe über ihren Ordenseintritt 1933: „Seit fast 12 Jahren war der Karmel mein Ziel. Seit mir im Sommer 1921 das ‚Leben‘ unserer hl. Mutter Teresia in die Hände gefallen war und meinem langen Suchen nach dem wahren Glauben ein Ende gemacht hatte.“ (ESGA 1, 350)
Autorin der „Legende“ von der einen Nacht und dem Bücherschrank des Ehepaares Conrad-Martius war Edith Steins Novizenmeisterin Sr. Teresia Renata Posselt, die 1948 die erste Lebensbeschreibung verfasste.[4] Im Verlag „Glock und Lutz“ in Nürnberg erschienen, fand diese Biografie als günstige Taschenbuchausgabe reißenden Absatz und wurde zur Grundlage vieler Übersetzungen. Doch in einem wichtigen Detail, das die Herkunft der Autobiographie Teresa von Ávilas betrifft, irrte Renata Posselt. Sie schrieb nämlich das Leben Edith Steins aus dem Gedächtnis auf und hatte keinen direkten Kontakt mit den Augenzeuginnen der betreffenden Situation in Göttingen: Pauline Reinach war zur Veröffentlichung des Buches 1948 in ihrem Benediktinerinnen-Konvent in Ermeton-sur-Biert (Belgien)[5] und Anne Reinach in Spanien, sie kehrte erst 1950 zurück nach München zu ihrem Schwager Heinrich Reinach, wo sie bis zu ihrem Tod 1953 lebte. Bis Pauline Reinach 1965 folgende klärende Aussage im Seligsprechungsprozess machte, die jedoch erst 1983 in Deutschland veröffentlicht wurde, war Renata Posselt bereits verstorben (1961):
„Im Lauf des Sommers 1921, als die Dienerin Gottes [Edith Stein] im Begriff war, von uns [Pauline und Anne Reinach in Göttingen] wegzugehen, luden sie meine Schwägerin und ich ein, ein Buch aus unserer Bibliothek auszuwählen. Ihre Wahl fiel auf eine Biographie der hl. Teresa von Ávila, von ihr selbst geschrieben. Über dieses Detail bin ich mir absolut sicher.“[6]
Ulrich Dobhan kommentierte die Aussage von Pauline Reinach treffend: „Mit dem Nachsatz [‚Über dieses Details bin ich mir absolut sicher.‘] weist Pauline Reinach die überall verbreitete Version von Teresia Renata Posselt[7] zurück, dass Edith Stein dieses Buch in Bergzabern [im Hause der Familie Conrad] aufs Geratewohl in die Hände gefallen sei, und sie es in einer Nacht gelesen habe. Als Pauline Reinach ihre Aussage machte […], waren von dieser Biographie (Teresia Renata de Spiritu Sancto, Edith Stein) bei Glock und Lutz in Nürnberg sieben Auflagen (1948 bis 1954) und danach bei Herder in Freiburg neun erschienen (die erste im Juli 1957, die neunte im September 1963).“[8] Der Irrtum über den Bücherschrank, aus dem das Leben der Teresa von Ávila stammte, wurde also in insgesamt 16 Auflagen der Biographie Teresa Renata Posselts verbreitet. So bleibt zu hoffen, dass sich die Richtigstellung dieses Details schneller verbreiten wird.
Noch 1982 behauptete sogar M. Amata Neyer (1922-2019), die gründliche Edith-Stein-Archivarin, dass Teresas Vida Edith Stein im Hause Conrad-Martius „im Juni oder Juli 1921“ in die Hände gefallen sei, da die Zeugenaussage von Pauline Reinach ja erst ein Jahr später 1983 in der Positio zur Seligsprechung veröffentlicht wurde.[9] Amata Neyer weist darauf hin, dass Renata Posselt dazu neigte, die Biographie Edith Steins mit „theatralischen Ausdrücken“[10] und direkter Rede auszuschmücken. Während Edith Stein in ihrem Bericht „Wie ich in den Kölner Karmel kam“ (s. o.) vom „wahren Glauben“ sprach, der ihr durch Teresas Leben einleuchtete, machte Teresia Renata Posselt daraus den Ausruf „Das ist die Wahrheit!“, als sei dieser Satz autobiographisch. So entstand bei vielen Lesern und Übersetzern der Eindruck, Edith Stein hätte erst 1921 zum christlichen Glauben gefunden, während mit „wahrem Glauben“ damals die „katholische Konfession“ gemeint war (s. u. 3. Kapitel).
Ulrich Dobhan[11] verdanken wir den Hinweis, dass im französischen Sprachraum bereits 1954 bekannt war, dass die Autobiographie Teresas aus Göttingen stammte. Elisabeth de Miribel OCD hatte Pauline Reinach in Belgien besucht und berichtet in ihrem bereits 1954 auf Französisch veröffentlichten Buch davon, dass Edith Stein sich 1921 bei den Reinachs in Göttingen Teresas Selbstbiographie ausgesucht habe: « Mais en 1921, à l’occasion d’une visite d’Edith, Anna et Pauline la prièrent de choisir un livre dans leur bibliothèque. C’est alors qu’elle mit la main sur la Vie de sainte Thérèse, qu’elle devait emporter et lire d’un trait. »[12] – „Aber anläßlich eines Besuchs von Edith im Jahr 1921 baten Anna und Pauline sie, sich ein Buch aus ihrer Bibliothek auszusuchen. So kam es, dass ihr das Leben der Heiligen Teresa in die Hände fiel, das sie mitnehmen und auf einem Mal durchlesen sollte.“
Edith Stein verließ Göttingen am 27. Mai 1921 mit der Autobiographie Teresa von Ávilas und war ab demselben Tag im Haus des Ehepaars Conrad-Martius in Bergzabern polizeilich gemeldet.[13] Wahrscheinlich hatte sie schon während der damals stundenlangen Bahnfahrt mit der Lektüre begonnen, denn „selbst eine Edith Stein kann dieses Buch nicht in einer Nacht durchlesen“, so der Teresa-Kenner und -Übersetzer Ulrich Dobhan. Mit der Aussage Pauline Reinachs wird auch verständlich, warum Hedwig Conrad-Martius in einem Brief vom 12. Oktober 1960[14] behauptet hatte, dieses Buch nie besessen zu haben.[15] Als ihr jedoch das besagte Buch mit dem Vermerk „Sommer in Bergzabern 1921“ in ihrer eigenen Handschrift vorgelegt wurde, bedauerte sie ihren Irrtum, da ihr nun der Beweis vorlag, dass sie das Buch zeitweise in ihre Bibliothek aufgenommen hatte. Sie hatte es tatsächlich nicht selbst erworben, sondern von Edith Stein geschenkt bekommen.[16] Die Aussage von Gertrud Koebner vom 22.6.1962: „Sie [Edith Stein] las mit mir die Schriften der hl. Teresa und ich konnte sehen, wie es sie mit allen Fasern dahin zog und sie dort ihr wahres Zuhause fand“ bezieht sich nach der Auffassung von Ulrich Dobhan auf die Zeit zwischen August und Oktober 1921 in Breslau.[17]
Das Buch, heute als Reliquie in der Bergzaberner Kirche aufbewahrt, trägt den Titel Das Leben der heiligen Theresia von Jesu und die besonderen ihr von Gott erteilten Gnaden, auf Geheiß ihrer Beichtväter von ihr selbst beschrieben. Neue deutsche Ausgabe, nach den autographierten und anderen spanischen Originalen bearbeitet und vermehrt von Fr. Aloisius ab Immaculata Conceptione, Priester aus dem Orden der unbeschuhten Karmeliten, 1919 erschienen im Pustet Verlag Regensburg. Es gelangte später, wohl durch Edith Stein, in den Kölner Karmel und trägt daher auch den Stempel des 1944 zerstörten Klosters der Karmelitinnen in Köln-Lindenthal.
Das Kloster schenkte das Buch der Paulusschwester M. Liberata Lehner (1895-1976), die vor ihrem Eintritt bei den Paulusschwestern auf dem Liebfrauenberg bei Bergzabern im Kölner Karmel bis 1931 als Sr. Elisabeth gelebt hatte und die den Karmel später um eine Lebensbeschreibung der Teresa von Ávila gebeten hatte.[18] Man schickte ihr diesen Band, da gerade eine aktuellere Übersetzung der Autobiographie Teresas erschienen war. Sie nahm den Band mit, als sie als Missionarin nach Südafrika ging.
Um das Jahr 1940 schrieb sie ihren Namen in das Buch, um es ihrer aus Bergzabern stammenden Mitschwester M. Athalia Steiger auszuleihen. Sr. Athalia erfuhr 1957 durch ihre Geschwister Jakob und Maria, dass Pfarrer Heinrich Althausen (1911-1979) an der St. Martins Kirche in Bergzabern eine Gedenktafel zu Edith Stein anbringen ließ, und schickte mit Erlaubnis der Ordensoberen das Buch an ihn nach Bergzabern zurück. Pfarrer Althausen schrieb in einem Brief vom 1. Februar 1963, dass er dieses Buch aufbewahre für den Tag, „an dem die Kirche Edith Stein die Ehre der Altäre schenken wird. Und das wird sicher kommen, weil sie erstens eine Heilige war und weil ferner in mehreren Erdteilen von Millionen Menschen dieser Tag herbeigebetet wird.“[19] 1960 lieh Pfr. Althausen das Buch ausnahmsweise an Maria Buchmüller aus, die es auf einer Ausstellung großer Gestalten des deutschen Katholizismus anlässlich des Eucharistischen Weltkongresses in München zeigte.[20]
Nicht erst 1921 hat sich Edith Stein entschieden, Christus nachzufolgen. Der Prozess begann vielmehr in ihrer Studienzeit in Göttingen und endete 1918 in ihrer Zeit in Freiburg. Zunächst war sie Jüdin, löste sich jedoch als Jugendliche davon, bevor sie sich die religiöse Frage neu stellte und ihr gründlicher nachging.
Edith Stein war bis zu ihrem 15. Lebensjahr mit der jüdischen Religionspraxis ihrer gläubigen Mutter aufgewachsen. Ihre Teenager-Brüdern mussten die Liturgien leiten, da der Vater verstorben war, und machten sich – altersgemäß – hin und wieder lustig, wie Edith Stein in ihrer Autobiographie Aus dem Leben einer jüdischen Familie berichtete (ESGA 1, 44). Mit 15 hatte sie sich „bewusst das Beten abgewöhnt“ (ESGA 1, 109), da sie bei ihrer Schwester Else in Hamburg, der sie im Haushalt und mit den Kindern half, ein „aufgeklärtes“ Intellektuellen-Leben kennen lernte, in dem der jüdische Glaube nicht mehr vorkam. So erlebte sie es auch im Studium in Breslau (1911-13): Gott spielte keine Rolle im Reich der Vernunft.
Das änderte sich jedoch während ihrer Studienzeit in Göttingen (1913-16). Nun gab es für Edith Stein verschiedene Anlässe, sich neu und ernsthaft mit religiösen Phänomenen auseinanderzusetzen. Z. B. fragte sie ihren Breslauer Studienfreund Metis in einem Brief aus Göttingen nach seiner Vorstellung von Gott: „Als ich später in Göttingen anfing, mich mit religiösen Fragen zu beschäftigen, fragte ich ihn einmal brieflich nach seiner Gottesidee: ob er an einen persönlichen Gott glaube. Er antwortete kurz: Gott ist Geist. Mehr sei darüber nicht zu sagen. Das war mir, als ob ich einen Stein statt Brot bekommen hätte.“ (ESGA 1, 116)
Von der Seite ihrer Mutter kamen hin und wieder Versuche, in ihrer Tochter den jüdischen Glauben an den sorgenden Schöpfer neu lebendig werden zu lassen. So berichtet Edith Stein von der Gratulation ihrer Mutter zu ihrem Staatsexamen im Januar 1915: Die Mutter hatte geschrieben, sie „würde sich noch mehr freuen, wenn ich daran denken wollte, wem ich diesen Erfolg verdankte. Aber so weit war ich noch nicht. Ich hatte in Göttingen Ehrfurcht vor Glaubensfragen und gläubigen Menschen gelernt; ich ging jetzt sogar mit meinen Freundinnen manchmal in eine protestantische Kirche (die Vermischung von Religion und Politik, die dort in den Predigten vorherrschte, konnte mich freilich nicht zur Kenntnis eines reinen Glaubens führen und stieß mich auch oft ab); aber ich hatte den Weg zu Gott noch nicht wiedergefunden.“ (ESGA 1, 260)
Einen weiteren Anstoß, sich Gott neu zuzuwenden, erhielt Edith Stein im Sommer 1916 auf der Durchreise zwischen Freiburg und Göttingen in Frankfurt a. M., als sie zusammen mit Pauline Reinach den Dom besichtigte. Dort machte das Gebet einer Frau mit Marktkorb einen besonderen Eindruck auf Edith Stein:
„Wir traten für einige Minuten in den Dom, und während wir in ehrfürchtigem Schweigen dort verweilten, kam eine Frau mit ihrem Marktkorb herein und kniete zu kurzem Gebet in einer Bank nieder. Das war für mich etwas ganz Neues. In die Synagogen und in die protestantischen Kirchen, die ich besucht hatte, ging man nur zum Gottesdienst. Hier aber kam jemand mitten aus den Werktagsgeschäften in die menschenleere Kirche wie zu einem vertrauten Gespräch. Das habe ich nie vergessen können.“ (ESGA 1, 331f.)
Die Suche nach Gott intensivierte sich in Freiburg i. Br., als Edith Stein als (Privat-)Assistentin von Edmund Husserl an der dortigen Universität wirkte (1916-1918). In dieser Zeit traf sich Edith Stein mehrmals mit der Katholikin Philomene Steiger (1896-1985)[21], die ihr empfahl, nicht weiter nach Wissen über den Glauben, sondern den Glauben selbst zu suchen, mit Hilfe der Person des Heiligen Geistes: „[Ich sagte ihr:] ‚Frl. Dr. Stein, ich sage Ihnen eins: Beten Sie, daß der Heilige Geist auch zu Ihnen kommt! Da ist in der Thora genauso vom Hl. Geist gesprochen, nicht nur bei uns. Aber Christus, der Messias, hat uns dann dargelegt, was es ist um den Hl. Geist.‘ – ‚Ja, wie machen Sie dann das?‘ – Dann habe ich gesagt: ‚Seitdem [seit der Firmung] bete ich jeden Tag […]: ‚Komm, Hl. Geist, herab zu mir, erleuchte mich, ich folge dir. Amen.‘ – ‚Müssen Sie dann sitzen oder knien, was machen Sie dann?‘ – ‚Das ist egal, das kann man während der Arbeit machen. Man kann die Hände falten … Sie können aber nur grad auch in Gedanken (beten): „Komm Hl. Geist…“ Und dann werden Sie sehen, dann bekommen Sie eine innerliche Kraft und Gnade. Dann kommt die Gnade in Sie herein.‘ […].“[22] Ob Edith Stein diesen Rat, um den Hl. Geist zu beten, wirklich befolgt hat, wissen wir nicht.
Jedenfalls äußerte sie sich im Februar 1917 beglückt darüber, dass ihr Freund Roman Ingarden ebenfalls auf religiöse Probleme gestoßen war und sie mit ihm diese neue Sehnsucht nach Gott meint teilen zu können; in diesem Punkt wurde sie jedoch enttäuscht. Sie schrieb ihm begeistert, sie selbst „renne an allen Ecken und Enden“ an „Metaphysik und an religiöse Erlebnisse“ (ESGA 4, Br. 9). In dieser Zeit arbeitete sie gerade an der phänomenologischen Analyse von „Psychischer Kausalität“ (ESGA 6), in der sie auch das Phänomen eines religiösen Erlebnisses als „Ruhen in Gott“ und als neue Zufuhr von „Kraft, die nicht die meine ist“, beschrieb:
„Es gibt einen Zustand des Ruhens in Gott, der völligen Entspannung aller geistigen Tätigkeit, in dem man keinerlei Pläne macht, keine Entschlüsse faßt und erst recht nicht handelt, sondern alles Künftige dem göttlichen Willen anheimstellt, sich gänzlich ‚dem Schicksal überläßt‘. Dieser Zustand ist mir etwa zuteil geworden, nachdem ein Erlebnis, das meine Kräfte überstieg, meine geistige Lebenskraft völlig aufgezehrt und mich aller Aktivität beraubt hat. Das Ruhen in Gott ist gegenüber dem Versagen der Aktivität aus Mangel an Lebenskraft etwas völlig Neues und Eigenartiges. Jenes war Totenstille. An ihre Stelle tritt nun das Gefühl des Geborgenseins, des aller Sorge und Verantwortung und Verpflichtung zum Handeln Enthobenseins. Und indem ich mich diesem Gefühl hingebe, beginnt nach und nach neues Leben mich zu erfüllen und mich – ohne alle willentliche Anspannung – zu neuer Betätigung zu treiben. Dieser belebende Zustrom er-scheint als Ausfluß einer Tätigkeit und einer Kraft, die nicht die meine ist und, ohne an die meine irgendwelche Anforderungen zu stellen, in mir wirksam wird. Einzige Voraussetzung für solche geistige Wiedergeburt scheint eine gewisse Aufnahmefähigkeit zu sein, wie sie in der dem psychischen Mechanismus enthobenen Struktur der Person gründet.“[23]
Etwas später, ca. 1920, analysierte sie in der Einführung in die Philosophie (ESGA 8) ein „Erlebnis der Geborgenheit“, das sie in tiefster Verzweiflung gespürt hatte und durch das sie plötzlich Gottes Existenz glauben und sich selbst „in Gottes Hand“ fühlen konnte:
„In dem Gefühl der Geborgenheit, das uns oft gerade in ‚verzweifelter‘ Lage ergreift, wenn unser Verstand keinen möglichen Ausweg mehr sieht und wenn wir auf der ganzen Welt keinen Menschen mehr wissen, der den Willen oder die Macht hätte, uns zu raten und zu helfen, in diesem Gefühl der Geborgenheit werden wir uns [sic!] der Existenz einer geistigen Macht inne, die uns keine äußere Erfahrung lehrt. Wir wissen nicht, was weiter aus uns werden soll, vor uns scheint ein Abgrund zu gähnen und das Leben reißt uns unerbittlich hinein, denn es geht vorwärts und duldet keinen Schritt zurück; aber indem wir zu stürzen meinen, fühlen wir uns ‚in Gottes Hand’, die uns trägt und nicht fallen läßt. Und nicht nur seine Existenz wird uns in solchem Erleben offenbar, auch was er ist, sein Wesen, wird in seinen letzten Ausstrahlungen sichtbar: die Kraft, die uns stützt, wo alle Menschenkräfte versagen, die uns neues Leben schenkt, wenn wir innerlich erstorben zu sein meinen, die unseren Willen stählt, wenn er zu erlahmen droht – diese Kraft gehört einem allmächtigen Wesen. Das Vertrauen, das uns einen Sinn unseres Lebens annehmen läßt, auch wo menschlicher Verstand ihn nicht zu enträtseln vermag, lehrt uns seine Weisheit kennen. Und die Zuversicht, daß dieser Sinn ein Heilssinn ist, daß alles, auch das Schwerste, letzten Endes doch unserem Heil dient, und ferner, daß dieses höchste Wesen sich unser noch erbarmt, wenn die Menschen uns aufgeben, daß es keine schlechthinnige Verworfenheit kennt, dies alles zeigt uns seine Allgüte. Es soll nicht gesagt werden, daß der hier angedeutete Weg der einzige ist, um zu Gott zu gelangen, und es soll auch nicht näher erörtert werden, welcher Geltungswert dieser Erfahrung – etwa im Vergleich zur Naturerkenntnis – zukommt; das religiöse Bewußtsein als solches ist ja hier nicht unser Thema. Wir haben es nur herangezogen, um zu zeigen, daß es Erlebnisse gibt, die den Anspruch auf Erfahrungsgeltung erheben und in denen ein geistiges Wesen – sein Dasein und sein Sosein – zur Gegebenheit kommt ohne das Hilfsmittel irgendeiner äußeren Erscheinung. Von da aus werden wir geneigt sein, auch im Falle der Erkenntnis menschlicher Personen der Möglichkeit Glauben zu schenken, daß wir rein in unserem ‚Inneren‘ etwas über sie zu erfahren vermögen, ohne Hinzunahme motivierender äußerer Erscheinungen.“[24]
Sie beschreibt diese religiösen Erlebnisse sachlich in phänomenologischer Sprache und gibt dazu keine biographischen Details an. Insgesamt schwieg sie zu diesem inneren Bekehrungs-Vorgang; auch gegenüber ihrer Patin, der Philosophin und späteren Honorarprofessorin (Universität München) Dr. Hedwig Conrad-Martius, sagte sie: „Secretum meum mihi“ (mein Geheimnis bleibt bei mir).[25] Da beide Beschreibungen sich in philosophischen Werken befinden („Psychische Kausalität“, ESGA 6, und Einführung in die Philosophie, ESGA 8), die in den Jahren 1917-1920 entstanden, wurden sie von Biographen und Theologen viele Jahre übersehen.[26] Adolf Reinachs religionsphilosophische „Aufzeichnungen“ zum religiösen Erlebnis stehen prägend im Hintergrund, von denen Stein Roman Ingarden am 9.3.1918 schrieb. (ESGA 4, Br. 6)
Das wichtigste Zeugnis, das letztlich zu Edith Steins Bekehrung zum Christentum führte, stammt von Anne Reinach, wird jedoch in den ersten vier Auflagen von Renata Posselts Biographie über Edith Stein gar nicht erwähnt, obwohl sie über Adolf Reinachs Heldentod berichtete.[27] Posselt fügte diese Begebenheit mit Anne Reinach erst nach dem Briefwechsel mit P. Hirschmann 1950 in der 5. Auflage hinzu.[28]
Im Herbst 1917 wurde Edith Stein überrascht vom Tod ihres Mentors und engen Freundes Adolf Reinach im I. Weltkrieg (16.11.1917). Es war für sie der Auslöser für eine „lange vorbereitete Krisis“, die sie letztlich zur Entscheidung für den christlichen Glauben führte, schrieb sie.[29] Edith Stein fand in ihrer Freundin Dr. Anne Reinach, einer promovierten Physikerin, eine glaubwürdige Zeugin für die christliche Hoffnung auf die Auferstehung, da sie den Verlust ihres Mannes so übernatürlich getröstet auf sich nahm. Anne Reinach hatte sich zusammen mit ihrem Mann – beide von der Geburt her Juden – erst im Jahr zuvor evangelisch taufen lassen, nachdem Adolf Reinach im Krieg intensive Gottes-Erlebnisse hatte.[30] Anne Reinach (1923) und ihre Schwägerin Pauline (1922) wurden später ebenfalls katholisch; Anne Reinach wurde sogar Benediktiner-Oblatin von Beuron und war vor ihrer Flucht nach Spanien Mitglied in der Münchner Gemeinschaft „Venio“, die seit 1992 Benediktinerinnen-Abtei ist; Pauline wurde Benediktinerin in Belgien.[31]
Johannes Hirschmann SJ berichtete aus seinen Gesprächen mit Edith Stein in Echt: „Der entscheidendste Anlass zu ihrer Konversion zum Christentum war, wie sie mir erzählte, die Art und Weise, wie die ihr befreundete Frau Reinach in der Kraft des Kreuzesgeheimnisses das Opfer brachte, das ihr durch den Tod ihres Mannes an der Front des ersten Weltkrieges auferlegt war. In diesem Opfer erlebte sie den Erweis der Wahrheit der christlichen Religion und ward ihr geöffnet. Sie weilte damals nach dem Tode von Reinach in dessen Haus, um seinen Nachlass durchzusehen.“[32] Die jüdischen Begräbnis-Ansprachen der Rabbiner, von denen Edith Stein einige miterlebt hatte, rührten die Erinnerungen an die Toten und die Gefühle der Trauernden auf, aber: „etwas Tröstendes enthielten sie nicht. Es wurde zwar mit feierlich erhobener Stimme gebetet: ‚Und wenn der Leib zu Staub zerfällt, so kehrt der Geist zu Gott zurück, der ihn gegeben.‘ Aber dahinter stand kein Glaube an ein persönliches Fortleben und an ein Wiedersehen nach dem Tod.“ (ESGA 1, 53) Hingegen sprang nun der „Hoffnungsfunke“ aus der Begegnung mit Anne Reinach nach der Beerdigung ihres Mannes auf Edith Stein über, und so konnte sie am 12. Mai 1918 ihrem Freund Roman Ingarden schreiben: „Und dann habe ich einen Stützpunkt gefunden, der mich bis zu einem gewissen Grade von allen äußeren Bedingungen und Erschütterungen unabhängig macht.“ (ESGA 4, Br. 32) Konkreter wird sie am 10. Oktober 1918: Sie habe sich „mehr und mehr zu einem durchaus positiven Christentum durchgerungen“: „Das hat mich von dem Leben befreit, das mich niedergeworfen hatte und hat mir zugleich die Kraft gegeben, das Leben aufs Neue und dankbar wieder aufzunehmen. Von einer ‚Wiedergeburt‘ kann ich also in einem tiefsten Sinne sprechen.“ (ESGA 4, Br. 53)
Vier Jahre später gibt sie folgende bildreiche Beschreibung ihrer Bekehrung:
„Aber wenn ich auf jene Zeit [in Freiburg, als die beiden eng befreundet waren,] zurückblicke, dann steht immer im Vordergrund die trostlose innere Verfassung, in der ich mich befand, diese unsagbare Verwirrung und Dunkelheit. ([…] Es war eine lange vorbereitete Krisis.) Mir ist dann etwa so wie einem, der in Gefahr war zu ertrinken, und dem lange nachher im hellen, warmen Zimmer, wo er ganz geborgen ist in Sicherheit und rings umgeben von Liebe und Fürsorge und hilfreichen Händen, auf einmal das Bild des dunklen, kalten Wellengrabs vor der Seele steht. Was soll man dann anders fühlen als Schauder und dazu eine grenzenlose Dankbarkeit gegen den starken Arm, der einen wunderbar ergriffen und ans sichere Land getragen hat?“[33]
Warum Edith Stein katholisch wurde, berichtet ebenfalls der Jesuit P. Johannes Hirschmann in seinem Brief vom 13. Mai 1950 an Teresia Renata Posselt: „Der Grund, warum sie, dem Christentum gewonnen, nicht wie ihr Lehrer Husserl, ihre Freundin Hedwig Conrad-Martius oder wie Frau Reinach selbst evangelisch wurde, sondern katholisch, war unmittelbar die Lesung des Lebens der heiligen Theresia. Sie glaubte aber, dass der Schritt vorbereitet war durch den Einfluss Schelers, durch den sie besonders in seiner katholischen Zeit angesprochen wurde.“[34]
Die Autobiographie Teresa von Ávilas gab also den entscheidenden Impuls zu Edith Steins Kircheneintritt. Über den Einfluss des Philosophen Max Scheler auf ihre Öffnung für den katholischen Glauben schrieb sie selbst in ihrer Autobiographie 1933: „Jedenfalls war es die Zeit [1913/14], in der er [Scheler] ganz erfüllt war von katholischen Ideen und mit allem Glanz seines Geistes und seiner Sprachgewalt für sie zu werben verstand. Das war meine erste Berührung mit dieser mir bis dahin völlig unbekannten Welt. Sie führte mich noch nicht zum Glauben. Aber sie erschloß mir einen Bereich von ‚Phänomenen‘, an denen ich nun nicht mehr blind vorbeigehen konnte. Nicht umsonst wurde uns beständig eingeschärft, daß wir alle Dinge vorurteilsfrei ins Auge fassen, alle ‚Scheuklappen‘ abwerfen sollten. Die Schranken der rationalistischen Vorurteile, in denen ich aufgewachsen war, ohne es zu wissen, fielen, und die Welt des Glaubens stand plötzlich vor mir. Menschen, mit denen ich täglich umging, zu denen ich mit Bewunderung aufblickte, lebten darin. Sie mußte zum mindesten eines ernsthaften Nachdenkens wert sein. Vorläufig ging ich noch nicht an eine systematische Beschäftigung mit den Glaubensfragen; dazu war ich noch viel zu sehr von andern Dingen ausgefüllt. Ich begnügte mich damit, Anregungen aus meiner Umgebung widerstandslos in mich aufzunehmen, und wurde – fast ohne es zu merken – dadurch allmählich umgebildet.“ (ESGA 1, 211)
Die praktizierenden gläubigen Katholiken, die Edith Stein in dieser Zeit von Ferne bewunderte, waren außer dem Philosophen Max Scheler die Husserl-Schüler und Phänomenologen Siegfried Hamburger und Dietrich von Hildebrand, die als eifrige Konvertiten täglich die Hl. Messe mitfeierten. Im Sommer 1916 bedauerte Edith Stein – auf die Frage ihres Freundes Hans Lipps hin –, dass sie leider nicht zu „diesem Klub“ gehöre, aber sie fühlte sich ihnen bereits verbunden: „Ich verstand ein wenig, aber ich konnte nicht viel darüber sagen.“ (ESGA 1, 330)
Es steht außer Zweifel, dass Teresa von Ávila eine herausragende Bedeutung hatte für Edith Steins Entscheidung, Katholikin zu werden – am liebsten auch Karmelitin, doch diese Entscheidung stellte sie ihrer Mutter zuliebe bis 1933 zurück. Ulrich Dobhan gibt zu bedenken, dass Edith Stein bereits auch andere christliche Klassiker, Augustinus[35] und Ignatius von Loyola[36], gelesen hatte und auch Franz von Assisi[37] hochschätzte.[38] Zudem war sie mit den Benediktinerinnen in St. Lioba /Freiburg und den Dominikanerinnen von St. Magdalena / Speyer befreundet. Dennoch sprach sie kein katholischer Klassiker so an wie Teresa und der Orden des Karmel, dessen Wurzeln in Israel sich mit ihrer jüdischen Herkunft leicht zu verbinden schienen. In einem Brief an Roman Ingarden vom 8.11.1927 spricht sie von ihrem Weg zur Konversion: „Vielleicht habe ich bei der Darstellung meines Weges das Intellektuelle zu schlecht wegkommen lassen. In der jahrelangen Vorbereitungszeit hat es sicher stark mitgewirkt. Doch bewußtermaßen entscheidend war das reale Geschehen, nicht ‚Gefühl‘, Hand in Hand mit dem konkreten Bild echten Christentums in sprechenden Zeugnissen (Augustin, Franziskus, Teresa).“ (ESGA 4, Br. 115).
Edith Stein selbst schrieb über ihre Begegnung mit Teresa von Ávila in ihrem autobiographischen Bericht Wie ich in den Kölner Karmel kam (18.12.1938): „Seit zwölf Jahren [bezogen auf das Ende ihrer Münsteraner Tätigkeit, Ende April 1933] war der Karmel mein Ziel. Seit mir im Sommer 1921 das ‚Leben‘ unserer hl. Mutter Teresia in die Hände gefallen war und meinem langen Suchen nach dem wahren Glauben ein Ende gemacht hatte.“ (ESGA 1, 350)[39] Da Edith Stein sich bereits 1918 „zu einem durchaus positiven Christentum durchgerungen“ hatte (ESGA 4, Br. 53), geht es hier 1921 nicht mehr um den Gegensatz „Atheismus“ – „Wahrheit“, sondern um die Alternative zwischen katholischer und evangelischer Konfession. Mit dem Ausdruck „wahrer Glaube“ verwendete sie die damals typische Terminologie, mit der sich Katholiken von Protestanten absetzten.[40] Renata Posselt hatte in ihrer Biographie Edith Steins daraus den Ausruf „Das ist die Wahrheit!“ gemacht, so dass man meinte, hier – 1921 in Bergzabern – sei ihre erste und eigentliche Bekehrung zum Christentum anzusiedeln, was nicht der historischen Entwicklung entspricht.
In ihrer Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Konfessionen des christlichen Glaubens las Edith Stein vor ihrer Bekehrung Johann Adam Möhler, Symbolik oder Darstellung der dogmatischen Gegensätze der Katholiken und Protestanten nach ihren öffentlichen Bekenntnisschriften, Mainz 1832 (ESGA 4, 8.11.1927, Br. 115). Was genau sie darin für die katholische Kirche eingenommen hat, erfahren wir nicht. Später empfahl sie neben Möhler auch Scheeben, Matthias Josef, Mysterien des Christentums, Freiburg 1865, den sie sehr „liebe und schätze“; letzteren aber hatte sie erst nach ihrer Konversion gelesen.
In ihrer religionsphilosophischen Auseinandersetzung vor dem Eintritt in die Katholische Kirche[41] formulierte Edith Stein eine deutliche Kritik daran, dass die Reformatoren – und damit in der Folge der Protestantismus überhaupt – die Siebenzahl der Sakramente ablehnen. Die Entwicklungsgeschichte der Siebenzahl der Sakramente reflektiert Edith Stein allerdings nicht, problematisiert daher weder Geschichtlichkeit im allgemeinen noch Missbrauch von Sakramenten im Besonderen, wenn sie schreibt: „Wenn es Sakramente gibt […], so hat der Mensch nicht das Recht, sie abzulehnen. Die Gnade kann ihm auf dem Wege der inneren Erleuchtung zuteil werden, aber es wäre sündhafter Hochmut, auf diesem Wege zu bestehen und den andern von sich zu weisen. Er kann über seine Natur erhoben werden, aber sich nicht aus eigener Kraft darüber erheben.“ (ESGA 9, 59) Das eigene, subjektive Erleben dürfe nicht verabsolutiert werden, denn die Sakramente seien Momente der objektiven Zuwendung Gottes zum Menschen.
Diese Position ist sicher herausgewachsen aus den Gesprächen mit ihrer Patin Hedwig Conrad-Martius, die in einer pfingstlichen Freikirche beheimatet war und daher ihre Sakramenten-Theologie nicht teilte. Mit ihr rang Edith Stein, welchen Weg zwischen den Konfessionen sie selber wählen solle. Christus habe für die Kirche und die Sakramente die „objektive“ Gestalt, die Ver-leib-lichung gewählt, weil sie dem Menschsein in seiner Leib- und Sinnlichkeit und dem Phänomen der Menschwerdung Christi entspreche: „Wenn der Herr diesen Weg gewählt hat, so ist es wiederum nicht Sache des Menschen, ihn anzunehmen oder abzulehnen. Der Herr kann seine Gnade auch denen verleihen, die außerhalb der Kirche stehen. Aber kein Mensch hat das als sein Recht zu fordern, und keiner darf sich selbst mit Berufung auf diese Möglichkeit willentlich aus der Kirche ausschließen.“ (ESGA 9 / FG, 60)
Zu Hedwig Conrad-Martius sagte sie nach einem Besuch der protestantischen Kirche von Bergzabern im Sommer 1921: „Im Protestantismus ist der Himmel geschlossen, im Katholizismus ist er offen.“[42] Über ihre Suche nach der wahren Konfession schrieb ihre Patin Hedwig Conrad-Martius: „Als Edith Stein zum letzten Mal bei uns war, befanden wir uns beide in einer religiösen Krise. Wir gingen beide wie auf einem schmalen Grate dicht nebeneinander her, jede in jedem Augenblick des göttlichen Rufs gewärtig. Er geschah, führte uns aber nach konfessionell verschiedenen Richtungen. Hier ging es um Entscheidungen, in denen sich die letzte Freiheit des Menschen, durch die er eben schöpfungsmäßig zur Person geadelt ist, mit der Berufung Gottes, der man zu gehorchen hat, für menschliche Augen unentwirrbar ineinander knüpft. Es gab jedoch kein Ausweichen. Und wie es bei den Anfangsschritten, nachdem uns die Gnade ergriffen hatte, zu sein pflegt: es kam eine gewisse, wenn auch immer nur in kurzen Gesprächen und Worten leise geäußerte gegenseitige Aggression in unseren Verkehr. In diesem Zusammenhang fiel das erwähnte Wort: Secretum meum mihi. [Mein Geheimnis bleibt bei mir.] Es war eine etwas schroffe Geste der Abwehr mir gegenüber. Ähnliches geschah aber auch umgekehrt.“[43] Dennoch konnte Hedwig Conrad-Martius – mit Dispens des Bischofs – Edith Steins Taufpatin werden. Aus ihrem Hochzeitsmantel wurde das weiße Taufkleid, das Edith Stein als Sinnbild umgelegt wurde, dass sie nun „Christus angezogen“ hatte (Gal 3, 27).
Die einzelnen Elemente und Schritte auf dem Weg der Bekehrung, die Edith Stein als Prozess durchlaufen hat, sind erst nach und nach ans Tageslicht der Forschung getreten. Da bereits früh Biografien und Übersetzungen entstanden sind, bevor alle Dokumente und Zeugnisse ausgewertet werden konnten, liegen unterschiedliche Versionen vor, die jedoch auf ihre fehlerhaften Quellen hin untersucht und einer eindeutigen Version zugeführt werden können. Deutlich wird, dass es für Intellektuelle des frühen 20. Jahrhunderts nicht leichter war, zum christlichen Glauben zu finden, als es heute in der Situation fortschreitender Säkularisierung ist. Sowohl intellektuelle Argumentationen des Religionsphilosophen Max Schelers, die Steins Vernunft herausforderten, als auch christliche Zeugnisse aus Vergangenheit (Augustinus, Teresa von Avila) und Gegenwart (Anne Reinach), die Steins Gefühl und die Zustimmung des „Herzens“ ansprachen, gemeinsam mit „religiösen Erlebnissen“, die ihr auf eine persönliche individuelle Weise Gottes Existenz offenbarten, stellen das Gesamtgebilde dar, durch das Gottes Heiliger Geist um Edith Steins Entscheidung zur Taufe und zur Nachfolge Christi warb.
Es gibt unter den Verehrern Edith Steins einen Streit darüber, ob sie „Atheistin“ gewesen sei. Manche Katholiken empfinden diesen Ausdruck als nahezu beleidigend. Was sagen die schriftlichen Zeugnisse, die uns vorliegen?[44]
Wir haben zwei klare Selbstaussagen von Edith Stein über ihre Glaubenssituation vor ihrer Bekehrung zum Christentum. Die erste ist die recht bekannte Bemerkung in ihrer Autobiographie, dass sie sich mit 15 Jahren „ganz bewußt und aus freiem Entschluß“ das Beten abgewöhnt hat (ESGA 1, 109). Während ihre Nichte Susanne Batzdorf diese Aussage als beiläufige Bemerkung herunterspielt[45], sollte man die Selbstaussage Edith Steins sehr ernst nehmen, einerseits – wie Ulrich Dobhan – als positiven Entwicklungsschub[46], andererseits als Aussage über eine willentliche Abkehr von einer religiösen Praxis. Sie bedeutet nämlich, dass Edith Stein zuvor gewohnt war zu beten, wahrscheinlich sprach sie ihr Abendgebet und Gebete beim Essen mit kindlichen Vorstellungen von Gott, die ihr nun nicht mehr stimmig erschienen, hinsichtlich der Atmosphäre des religionslosen Haushalts ihrer Schwester Else in Hamburg. Da sie später, was nicht so bekannt ist, vom „radikalen Unglauben“[47] in ihrer Zeit vor der Konversion spricht, heißt das, dass sie auch an keine höhere Macht mehr glaubte, sondern Gottes Existenz praktisch in ihren Lebensvollzügen leugnete und vielmehr in Selbstüberschätzung lebte. Ihre hochmütige Haltung[48], in der sie keinen Gott mehr über sich sieht, beschreibt sie in ihrer Autobiographie folgendermaßen:
„Ich war an gar keinen Tadel mehr gewöhnt. Zu Hause wagte mir kaum noch jemand etwas zu sagen; meine Freundinnen hingen mit Liebe und Bewunderung an mir. So lebte ich in der naiven Selbsttäuschung, dass alles an mir recht sei: wie es bei ungläubigen Menschen mit einem hochgespannten ethischen Idealismus häufig ist. Weil man für das Gute begeistert ist, glaubt man selbst gut zu sein. Ich hatte es auch immer als mein gutes Recht angesehen, auf alles Negative, was mir auffiel, auf Schwächen, Irrtümer, Fehler anderer Menschen schonungslos den Finger zu legen, oft in spottendem und ironischem Ton. Es gab Leute, die mich ‚entzückend boshaft‘ fanden.“ (ESGA 1, 151)
Im Interview, das Elisabeth Otto in den 80er Jahren mit Philomene Steiger in Freiburg i. Br. geführt hat, verwendete Steiger den Begriff „Atheistin“ – die Erinnerung an ihre Gespräche mit Edith Stein nach über 60 Jahren ist jedoch mit Vorsicht zu genießen: „[…] Aber sie hat gesagt zu mir, sie hätte gar keine Beziehungen mehr gehabt zu ihrer jüdischen Religion, weil sie in das Fahrwasser von dem Professor Stern so lebendig hineingekommen ist, und sie sich auch mit niemand mehr darüber unterhalten habe, sondern sie ist dann einfach in dem Fahrwasser gewesen. Und sie [Edith Stein] hat gesagt: ‚Frl. Steiger, ich bin Atheistin.‘ Das hat sie gerade so herausgesagt. Dann habe ich gesagt: ‚Nein, das sind Sie nicht, Frl. Dr. Stein, das muß ich Ihnen jetzt sagen. Ich bin wohl fünf Jahre jünger als Sie, aber Sie sind keine Atheistin.‘ – ‚Aber was glauben Sie denn sonst?‘ – Da habe ich gesagt: ‚Sie sind eine Sucherin. […]‘.“[49] Was für die Echtheit der Aussage jedoch spricht, ist ihre treffende Kennzeichnung des Psychologen William Stern, den sie als Freiburger Geschäftsfrau kaum vom Hören-Sagen geschweige denn aus bereits bestehenden Biographien Edith Steins kennen konnte.[50]
Edith Stein verwendet in ihren wissenschaftlichen Untersuchungen die Begriffe „Unglauben“ und „Atheismus“ synonym, den des „Atheisten“ zum ersten Mal in ihrer Habilitationsschrift von 1917/18 (ESGA 6, 43). Zuvor spricht sie in ihrer Dissertation davon, dass – obwohl sie selbst „ungläubig“ sei und die „personale Schicht“ eines religiösen Menschen „nicht besitze“, dass sie sich dennoch in den „homo religiosus“ – einen religiösen Menschen – einfühlen könne (ESGA 5, 133f.). Hier ist das phänomenologische „Ich“ gemeint, auch wenn man nicht zu Unrecht spekulieren kann, dass sich Edith Stein an dieser Stelle persönlich einschließt. Ebenfalls in Zum Problem der Einfühlung stellt sie „eine Betrachtung“ an, in der es um die „Freude Gottes über die Reue eines Sünders“ geht, die – so betont sie – „unabhängig vom Glauben an die Existenz Gottes möglich ist.“ (ESGA 5, 67)
Um 1917/18 formuliert sie in „Psychische Kausalität“ die Möglichkeit von religiösen Erlebnissen bei Atheisten:
„Oder ein überzeugter Atheist wird in einem religiösen Erlebnis der Existenz Gottes inne. Dem Glauben kann er sich nicht entziehen. Aber er stellt sich nicht auf seinen Boden, er läßt ihn nicht in sich wirksam werden, er bleibt unbeirrt bei seiner ‚wissenschaftlichen Weltanschauung‘, die durch den unmodifizierten Glauben über den Haufen geworfen würde.“ (ESGA 6, 43)
Stein führt jedoch später in der Argumentation das religiöse Erlebnis eines „Ruhens in Gott“ (ESGA 6, 73) an, streng phänomenologisch, aber eindeutig mit personalem Bezug auf sie selbst. Hier hat sie wohl selbst bereits die Haltung eines „Atheisten“ oder „Ungläubigen“ hinter sich gelassen.
Statt „Atheismus“ verwendet Edith Stein in ihrer zweiten Habilitationsschrift Potenz und Akt (1931) den Begriff „Gottesleugnung“. Sie könne „als theoretische Negation des absoluten Seins“ verstanden werden und entstehe aus Angst vor Gottes Strafe, sei letztlich eine andere Form der Angst vor dem Nichts (ESGA 10, 144). Diese Negation habe die Konsequenz, dass das intellektuelle Leben in der Folge „mehr oder minder skeptisch zersetzt“ sei. Als Folge wird dem Atheisten die Sprache der Gotteserfahrungen gefühlsmäßig unverständlich bleiben.
Gründe für die Negation Gottes oder die Verweigerung der Öffnung für den religiösen Bereich sieht Edith Stein in ihrer religionsphilosophischen Untersuchung von 1921 „Freiheit und Gnade“ auch darin, dass man „Gott wohl gegenwärtig [erlebt], aber als etwas Bedrohliches, gegen das man sich trotzig auflehnt, als eine Fessel, die man abstreifen möchte. Man hält sich nicht an ihm und ist nicht geborgen, man liebt nicht und fühlt sich nicht geliebt.“ (ESGA 9, 67) Mit dem Bild der „Fessel“ deutet Edith Stein ein negatives Abhängigkeitserlebnis an, das Ressentiment und Rebellion erzeugt. Das Erleben von Bedrohlichkeit kann nur durch eine neue Geborgenheitserfahrung aufgehoben werden in einem neuen Gefühlserlebnis. Dagegen kann die Aufhebung der intellektuellen Negation, die wohl unabhängig von der Gemütssphäre gedacht wird, durch die philosophischen Gottesbeweise geschehen.[51]
In Edith Steins Theologischer Anthropologie Was ist der Mensch? (ESGA 15), einer phänomenologischen Studie zu den katholischen Dogmen, verwendet sie den Begriff „ungläubig“ und reflektiert religiöse Erlebnisse eines ungetauften Erwachsenen:
„Es [Das Erlösungswerk Christi] nimmt seinen Anfang beim Kinde mit der Taufe, beim ungetauften Erwachsenen in gewisser Weise schon mit den vorbereitenden Stadien, den ersten Anregungen der Gnade, sich göttlichen Dingen und der Frage des eigenen Heils zuzuwenden, in eigentlichem Sinn doch aber auch erst, wenn er durch die Taufe zu einer ‚neuen Kreatur‘ geworden ist. Der wiedergeborene Mensch ist seiner Natur nach nicht dem ersten Menschen vor dem Fall gleich: Er ist dem leiblichen Tod unterworfen, dem Irrtum und der Täuschung ausgesetzt; es ist auch in ihm die ungeordnete Begierde nicht erloschen, deren Regungen ihn immer wieder zu sündhaftem Abirren von Gottes Willen hinzureißen drohen. Er gleicht aber dem Menschen vor dem Fall darin, daß seine Natur überhöht ist durch die heiligmachende Gnade, die gleichsam eine zweite Natur ist, ein Prinzip des Seins, Lebens und Wirkens.“ (ESGA 15, 101)
In diesem Zustand der „ersten Anregungen der Gnade“ hatte sich Edith Stein selbst seit ihrer Zeit in Göttingen befunden, als sie durch Max Schelers Vorlesungen (1913/14) für religiöse Fragen geöffnet wurde, bis sie durch Anne Reinachs Zeugnis sich aktiv der „Frage des eigenen Heils“ zuwandte und sich zu einem „durchaus positiven Christentum“ durchrang (1918).
In ihrem Hauptwerk Endliches und ewiges Sein greift Edith Stein den Gedanken auf, dass dem Gläubigen das Dasein Gottes so selbstverständlich ist, dass er selbst den „Toren“, den „Gottlosen“, evangelisieren und von der Existenz Gottes überzeugen möchte. Doch fragt sie nachdenklich: „Wieviel Ungläubige sind denn schon durch die thomistischen Gottesbeweise gläubig geworden? Auch sie [die Gottesbeweise] sind ein Sprung über den Abgrund: der Gläubige schwingt sich leicht hinüber, der Ungläubige macht davor halt.“ (ESGA 11/12, 104)
Wenn man dieses Bild Edith Steins weiterdenkt, könnte man sagen: Der Ungläubige setzt gar nicht erst zum Sprung über den „Abgrund des Nicht-Wissen-Könnens“ an, weil ihm das Vertrauen fehlt, dass es ein anderes Ufer hinter diesem Abgrund geben könne, auf dem man existenziell landen würde. Er vertraut nicht darauf, dass er sein Leben auf einem „Glaubens-Wissen“ bauen könnte, anstatt nur auf dem „Wissen“ diesseits des Abgrunds. Das Bild vom Abgrund bezeichnet also nur eine Art von „Fels-Spalte“ die nicht sehr groß ist, in die man auch nicht hineinfällt, sondern über die es jedem Menschen möglich ist, zu springen. Der Abgrund macht jedoch Angst, dass man eben nicht eine weitere Ebene – eben die des „Glaubens-Wissens“ – erreichen könnte, und veranlasst daher den Ungläubigen, rein auf der Ebene des „Wissens“ verbleiben zu wollen.
Dass jedoch auch das „Glaubens-Wissen“ eine eigene, wenn auch andere Art von „Erfahrungs-Wissen“ ist, lässt sich erst von jenseits der „Fels-Spalte“ aussagen. Von diesseits des „Abgrunds“ wirkt es wie ein „Nicht-Wissen-Können“. Es erscheint daher der „Abgrund“ wie ein Entziehen des Bodens „unter den Füßen“ der Erkenntnis. Für einen denkenden nicht-gläubigen Menschen klingt also der Sprung eines Gläubigen über den „Abgrund“ wie ein Selbstmord-Versuch, ein Selbstmord im Denken, also als ob der Suchende, der sein Heil im Glauben an die Existenz Gottes suchen will, in den Glaubens-Abgrund springt, um sein Denken für immer aufzugeben.
Für den Suchenden jedoch, der ahnt, dass das Lebenszeugnis gläubiger Menschen eine Wahrheit enthält, die ihm selbst zuvor nicht zugänglich war, braucht es die Tugend des Mutes und des Vertrauens zur Wahrhaftigkeit der Glaubenszeugen, um springen zu können – über den „Abgrund des Nicht-Wissen-Könnens“, um zu landen in der Geborgenheit des gefühlsmäßig einleuchtenden Glaubenswissens.
Das Lebenszeugnis gläubiger Christen erscheint Edith Stein auch aus ihrer eigenen Biografie heraus gefühlsmäßig einleuchtender als die intellektuellen Gottesbeweise, auch wenn sie dem Weg der Vernunft zu Gott einen hohen Stellenwert einräumt.[52]
In ihrem späten Werk „Wege der Gotteserkenntnis“ (1941, ESGA 17) finden wir Edith Steins ausführlichste und gründlichste Reflexion auf den Begriff „Atheismus“, die sie jedoch für den Druck gestrichen hat. Es handelt sich um eine „Phänomenologie des Atheismus“, die sie im Anschluss an den Psalm-Vers 53, 2 anstellt („Der Narr spricht in seinem Herzen: ‚Es gibt keinen Gott‘“). Stein argumentiert, dass grundsätzlich in jedem Menschen immer schon ein Vorverständnis existiert von dem, was mit „Gott“ gemeint ist. Sonst wäre ein Gottesbeweis logisch überhaupt nicht denkbar. Edith Stein führt hier weiter aus, was sie unter Atheismus versteht:
„Daß Millionen Menschen ‚Atheisten‘ sind, spricht nicht dagegen [gegen ein anthropologisches Vorverständnis des Begriffes ‚Gott‘]. Der ‚Atheismus‘ ist bei Verschiedenen vielleicht in sehr verschiedenem Sinn zu nehmen. Meint man damit das Leugnen des Daseins Gottes, so gehört selbst dazu, daß man mit dem Wort Gott einen Sinn verbindet und dem Anspruch nach sogar denselben Sinn wie die Gottesgläubigen, denn man will ja eben das leugnen, was sie glauben. Worauf gründet sich dieser Anspruch? Vielleicht ist der Atheist selbst früher gläubig gewesen und erinnert sich noch, was er damals unter ‚Gott‘ verstand. Aber wie ist er ursprünglich zu dem Verständnis gelangt? Wahrscheinlich durch eine gläubige Erziehung. Man hat ihm zu Hause und in der Schule von Gott gesprochen, und er hat es unbedenklich hingenommen wie so vieles andere, was man auf Treu und Glauben hinnimmt, ohne sich aus eigener Anschauung davon zu überzeugen. Es ist jedoch zu bedenken, daß unser Sprachverständnis im Zusammenhang mit unserer Erfahrung und unserem gesamten Geistesbesitz erwächst. Um etwas Unbekanntes vom ‚Hörensagen‘ kennenzulernen, müssen wir von der uns bekannten sinnenfälligen und geistigen Welt irgendeinen Zugang dazu haben. Sonst bleiben die Worte für uns ohne Sinn. Der Atheist könnte sagen, man habe ihm Gott dargestellt wie einen sehr großen und mächtigen Menschen, viel größer und mächtiger als alle andern; und so etwas habe er sich denken können, so wie wir uns Berge denken können, die viel höher sind als alle uns bekannten. Wenn er diesen Gott leugnet, so müssen wir ihm sagen, daß er nicht das leugnet, was wir unter ‚Gott‘ verstehen. Behauptet er aber, unter ‚Gott‘ dasselbe zu verstehen wie wir, so müssen wir auch eine gemeinsame Verständnisgrundlage dafür annehmen. Gewiß bilden für die meisten Kinder menschliche Vorstellungen die Brücke zum Gottesgedanken. Aber sie gelangen doch darüber hinaus zu dem ‚ganz anderen‘ gegenüber allem, was in der Welt der Erfahrung begegnet und begegnen kann; und lassen sich dadurch bewegen, das anzunehmen, was die übernatürliche Offenbarung lehrt, als Erfüllung dessen, was als das ‚ganz andere‘ zunächst nur leer erfaßt ist, und als Antwort auf die Rätselfragen, die die Erfahrung selbst stellt, ohne sie jemals lösen zu können. In solchem Fall vollzieht sich der Übergang aus der Welt der natürlichen Erfahrung in die Welt des übernatürlichen Glaubens wie selbstverständlich und fast unmerklich. Immerhin ist die Annahme des Glaubens eine ‚freie‘; es besteht daneben die Möglichkeit der Ablehnung, aber nicht als vollkommen gleichgewichtige Möglichkeit: Während in einem ‚normalen‘ Entwicklungsgang sich die erste Annahme des Glaubens bruchlos zu vollziehen pflegt, hat die Ablehnung meist die Form des scharfen Bruches oder der ‚Abkehr‘. Ihr entspricht als Gegenbewegung die ebenso freie und bewußte Annahme des Glaubens, die ‚Konversion‘. Dazwischen liegt der Zustand der Glaubenslosigkeit. Er kann im Einzelleben auch der zeitlich erste sein: bei Menschen, die von vornherein in einer ungläubigen Umgebung aufwachsen. Der aus freier Wahl Ungläubige wird nicht nur die Annahme der Glaubenslehre einer offenbarten Religion ablehnen, sondern auch jenen Verweisungen, die in der natürlichen Erfahrung selbst liegen, den Glauben verweigern.“ (ESGA 17, 68-70)[53]
Das bedeutet, so folgert Edith Stein, dass dem Nicht-Gläubigen einerseits intellektuell die Gottesbeweise nicht mehr „einleuchten“ und gemütsmäßig die Sprache der Gotteserfahrungen unverständlich bleibt. Es ist nicht nur der Wille zur Suche, sondern auch die Erkenntnis über die geeignete Wahrnehmungsart – nicht die empirische – erforderlich. Dem Atheisten, der eine unzulängliche Gottesvorstellung ablehnt, gibt Edith Stein sachlich recht. Auch in diesem Gedankengang verwendet sie die Begriffe „Atheismus“, „Glaubenslosigkeit“ und „Unglauben“ synonym. Ihr eigener Entschluss, mit 15 Jahren nicht mehr zu beten, hatte wohl etwas von dem „scharfen Bruch“, den sie in diesem Text beschreibt.
In diesem Zusammenhang betont Edith Stein in ihrer religionsphilosophischen Studie von 1921 „Freiheit und Gnade“, dass die Freiheit des Menschen in dieser Suche nach Gottes-Erkenntnis besonders herausgefordert ist. „Denn offenbar liegt darin [, daß Gott sein Werk ohne die Mitwirkung der Freiheit des Menschen nicht vollenden kann; Verf.], daß Gottes Freiheit, die wir Allmacht nennen, an der menschlichen Freiheit eine Grenze findet.“ (ESGA 9, 22) „Es ist das große Geheimnis der persönlichen Freiheit, daß Gott selbst davor Halt macht.“ (ESGA 18, 134f.) Umgekehrt schränkt Stein allerdings den hohen Stellenwert der menschlichen Freiheit auch wieder ein: „Von sich aus kann [der Mensch] bestenfalls bis ans Tor [des Reiches der Gnade] kommen, aber niemals sich den Eintritt erzwingen.“ (ESGA 9, 22) Göttliche und menschliche Freiheit stehen einander gegenüber: menschliche Freiheit könne – so Stein – „von der göttlichen nicht gebrochen und nicht ausgeschaltet werden – wohl aber gleichsam überlistet“.
Das Motiv, daß Gott im spielerischen Sinne positiv „listig“ sei, greift Stein in Wege der Gotteserkenntnis wieder auf: Gott verbirgt sich, um gesucht zu werden. Dieser „Rückzug“ Gottes in die „Verborgenheit“ diene aber im eigentlichsten dazu, den Nicht-sehenden sehen zu lehren, um zur Suche nach Erlebnissen mit Gott zu führen. (ESGA 17, 54f.) Gott zeige sich nicht inflationär, sondern sei frei, sich zu offenbaren oder zu entziehen. Damit sei allerdings kein „bösartiges“ oder „feiges“ Sich-Vorenthalten gemeint, sondern das „freie Liebesspiel“ Gottes, mit dem er uns zur Suche anreizen möchte. D. h. Gott möchte gefunden werden und dazu muss der menschliche Wille angestrengt werden.
Für Edith Stein war die Frage wichtig, ob die Haltung des Unglaubens im „Atheisten“ eine persönliche Schuld darstelle oder nicht, und sie differenziert wie folgt:
„Wenn es nicht als unmöglich abzuweisen ist, daß jemand ohne persönliche Schuld ungläubig (im Sinne einer völligen Unkenntnis Gottes) sein könnte und dadurch unzugänglich für die Bildersprache der Heiligen Schrift, so ist doch nicht jede menschliche Schuld abzuweisen. Wenn wir von der Erbsünde hier absehen und von der Trübung des Geistes, die sie zur Folge hat, so wächst doch kein Mensch völlig abgeschnitten von andern auf, und es fällt der ‚Gesellschaft‘ zur Last, wenn sie ihm das Zeugnis schuldig geblieben ist, das ihm die Augen öffnen konnte. In den meisten Fällen wird aber auch der ‚Ungläubige‘ selbst mit verantwortlich sein für seine Blindheit. Es kann ja kaum jemand so leben, daß nicht irgendwelche Zeugnisse von Gott ihn erreichen würden. Wenn er sich ihnen gegenüber verschließt oder wenigstens sich nicht die Mühe nimmt, ihnen nachzugehen, so ist das seine eigene Schuld, und wenn in der Folge die ‚Verblendung‘ eintritt, d. h. statt des bloß tatsächlichen Nicht-Erkennens die Unfähigkeit zu erkennen, so fällt auch das auf ihn zurück. Erst recht natürlich, wenn es sich nicht nur um tatsächlichen Unglauben handelt, sondern um grundsätzliche Gottlosigkeit oder Gottesfeindschaft. […]“ (ESGA 17, 53f.)
An dieser Stelle zieht Edith Stein eine weitere Unterscheidung ein zwischen „Unglauben“ und einer „Gottesfeindschaft“, die mit absichtsvollem Ressentiment und bewusster Aggression gekoppelt ist. Die letztere Haltung ist bei ihr nicht zu beobachten, sie nennt in ihren Exerzitien „nur“ den „radikalen Unglauben“ (ESGA 20, 84).
„Bei dem ‚schuldlos Ungläubigen‘ leuchtet es ein, daß er tatsächlich nicht durch den Schleier sehen kann. Doch er wird nicht zu denen gehören, die nicht sehen sollen. Vielmehr scheint es im Sinne der ‚Theologie‘ [des Pseudo-Dionysius Areopagita] zu liegen, daß man ihn lehrt zu sehen. Wer aus Trägheit und Stumpfheit des Geistes oder Leichtfertigkeit zu keiner Gotteserkenntnis kommt, bei dem ist schon eher das Nicht-Sehen-Können als Strafzustand zu begreifen. Vor allem aber ist das Geschlagenwerden mit Verblendung zu verstehen bei Böswilligen, die nicht glauben wollen und die Heilige Schrift lesen, um sie selbst als Waffe gegen die offenbarte Wahrheit zu benutzen.“ (ESGA 17, 54)
Edith Stein hat sich, so können wir aus den von ihr angestellten Überlegungen folgern, sicher als persönlich verantwortlich für ihren eigenen Unglauben bzw. Atheismus verstanden, da sie das Zeugnis ihrer Mutter ja kannte. Sie machte sich dennoch, nach dem Verlust ihres unzureichenden Kinderglaubens und nach der Bestärkung durch ihre der atheistischen Weltanschauung anhängenden Professoren in Breslau, neu auf die Suche nach einer inneren Überzeugung von Gottes Dasein und Sosein durch intellektuelle und gefühlsmäßige Zeugnisse. Dabei fragte sie zunächst auch bei jüdischen Gläubigen nach, z. B. bei ihrem Freund Metis, der jedoch eine intellektuell wie auch gefühlsmäßig unbefriedigende Antwort gab. Ihre jüdischen Freunde Adolf und Anne Reinach jedoch, die sich selbst aufgrund einer Christus-Offenbarung hatten taufen lassen, konnten ihr eine neue Tiefe für den „Glauben der Väter“ vermitteln durch ihren Glauben an den Messias Jeshua. Erst die Hingabe an Gott bzw. die Gnade mache den zuvor Ungläubigen frei von „Sünde und Angst“ (ESGA 9, 21), schreibt sie in der Zeit ihrer Hinwendung zur katholischen Kirche, da wir bei Jesus Christus Frieden und Geborgenheit finden. So scheint es auch Edith Stein ergangen zu sein. In einem Brief an ihren Freund Fritz Kaufmann zieht sie in diesem Zusammenhang das bekannte Augustinus-Zitat „Unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir“[54] heran: Das Christentum sei für sie der Ort, wo „Ruhe und Frieden ist für alle unruhigen Herzen“ (ESGA 2, Br. 45, 13.9.1925).
[1] Hausarbeit von Brigitte Grimm, Bad Bergzabern Oktober 2014, „Die heilige Edith Stein. Patronin Europas. Ihre Zeit in Bergzabern und Speyer“, S. 7.
[2] P. Johannes Hirschmann SJ in einem Brief an Teresia Renata Posselt (13.5.1950), Edith-Stein-Archiv, Köln, Signatur GI7/Hi. Zitiert in Müller, Andreas Uwe / Neyer, Amata, Edith Stein, Düsseldorf / Zürich 1998, 121.
[3] Beckmann-Zöller, Beate, „Edith Stein und Köln – die vom Kreuz gesegnete Braut Christi (1933–1938)“, Edith-Stein-Jahrbuch 2019, 19-23.
[4] Teresia Renata de Spiritu Sancto [Renata Posselt], Edith Stein. Eine große Frau unseres Jahrhunderts, Nürnberg 1948-1954 / Freiburg i. Br. 1957-1963.
[5] Pauline Reinach (1879 Mainz – 1974 Ermeton-sur-Biert) wurde am 29.3.1918 in Göttingen wenig später nach der Taufe ihres Bruders und ihrer Schwägerin evangelisch getauft und wurde wie Edith Stein im Jahr 1922 (4.6.) katholisch, in der ehemaligen Karmeliterkirche Hl. Dreifaltigkeit, München; gefirmt wurde sie vom Nuntius Eugenio Pacelli, dem späteren P. Pius XII., in dessen Privatkapelle. 1924 trat Pauline Reinach als Schwester Augustina in das sieben Jahre zuvor gegründete Benediktinerinnenkloster „Ancilla Domini“ in Wépion (Belgien) ein. 1936 verlegte die Ordensgemeinschaft ihren Sitz nach Ermeton-sur-Biert. Im Dorf Ermeton, außerhalb des Klosters, gelang es Pauline Reinach, unentdeckt die deutsche Besetzung Belgiens zu überleben.
[6] Beatificationis et Canonizationis Servae Dei Edith Stein. Summarium super dubio: An eius Causa introducenda sit. Roma, 1983, 437. Im Original auf französisch: “Au cours de l’été 1921, alors que la Servante de Dieu allant nos quitter, ma belle-soeur et moi-même l’avons invitée à choisir un ouvrage dans notre bibliothèque. Son choix se porta sur une biographie de Ste Thérèse d’Ávila, écrite par elle-même. De ce détail, je suis absolument certaine.“
[7] Teresia Renata de Spiritu Sancto [Renata Posselt], Edith Stein. Eine große Frau unseres Jahrhunderts, Nürnberg 1948-1954 / Freiburg i. Br. 1957-1963.
[8] Dobhan, Ulrich, „Edith Stein – die Karmelitin“, Edith-Stein-Jahrbuch 2006, 75-123, 80f.
[9] Neyer, M. Amata, „Edith Stein und Teresa von Ávila. Versuch einer Dokumentation“, in: Christliche Innerlichkeit 17 (1982) Heft 2-4, 183-197, hier 185f., 188.
[10] Neyer, M. Amata, „Teresia Renata Posselt OCD. Ein Beitrag zur Chronik des Kölner Karmel (2. Teil)“, in: Edith Stein Jahrbuch 9 (2003) 447-487, hier 473.
[11] Dobhan, Ulrich, „Vom ‚radikalen Unglauben‘ zum ‚wahren Glauben‘“, Edith Stein Jahrbuch 2009, 80.
[12] Miribel, Élisabeth de OCD (1915-2005), Edith Stein (1891-1942). Comme l’or purifié par le feu, Paris 1954, 60.
[13] Müller, Andreas Uwe / Neyer, M. Amata, Edith Stein, Zürich / Düsseldorf 1998, 141.
[14] Brief an Maria Buchmüller (1894-1985), die als erste Diavorträge über Edith Stein hielt.
[15] Vgl. Neyer, M. Amata, „Edith Stein und Teresa von Ávila. Versuch einer Dokumentation“, in: Christliche Innerlichkeit 17 (1982) Heft 2-4, 183-197, hier 184 und 188.
[16] Brief von Hedwig Conrad-Martius an Sr. M. Amata Neyer, Karmel Archiv Köln, 12.10.1960.
[17] Edith Stein Archiv, Köln, GI9/Koe. Vgl. Dobhan, Ulrich, „Edith Stein – die Karmelitin“, Edith-Stein-Jahrbuch 2006, 75-123, 80.
[18] Feldes, Joachim, „Diesen lieben Blick vergesse ich nie“. Edith Stein und der Liebfrauenberg, 2., aktualisierte Auflage, Speyer 2013, 10. Folgende Angaben sind dieser Dokumentation entnommen.
[19] Brief vom 1. Februar 1963 an Sr. Liberata.
[20] Brief von Althausen an den Kölner Karmel vom 27. Juli 1960.
[21] Vgl. Müller, Andreas Uwe / Neyer, M. Amata, Edith Stein – eine ungewöhnliche Frau, Düsseldorf 1998, 122. Vgl. Beckmann-Zöller, Beate, Frauen bewegen die Päpste, Augsburg 2010, 228.
[22] Archiv Edith-Stein-Karmel, Tübingen. Zitiert nach dem Aufschrieb von Elisabeth Otto: Welt – Person – Gott. Eine Untersuchung zur theologischen Grundlage der Mystik bei Edith Stein, Vallendar-Schönstatt 1990, 183f., hier 184. In Herbstrith, Waltraud, Edith Stein. Jüdin und Christin, München 1995, 53-55, ist dieses Interview stark ausgeschmückt. – Die Glaubwürdigkeit des Berichtes von Philomene Steiger wird von Andreas Uwe Müller und P. Ulrich Dobhan aufgrund eines negativen Leumunds der Betreffenden angezweifelt. Selbst wenn Frau Steiger sich später einige Inhalte dieses Gespräch mit Edith Stein ausgedacht hätte [z. B. dass sie mit ihr über den Karmel gesprochen hätte] – das ist selbstverständlich weder nachzuprüfen noch auszuschließen, da ihre Aussage nicht in den Seligsprechungsakten aufgeführt wird –, ist dennoch ihre Aufforderung, den Heiligen Geist einzuladen, ein wichtiges sachliches Element auf dem Weg Edith Steins zum Glauben. Was für die Echtheit der Aussage spricht, ist ihre treffende Kennzeichnung des Psychologen William Stern, den sie als Freiburger Geschäftsfrau sicher nicht vom Hören-Sagen kennen konnte. Leider haben wir von Edith Stein selbst keine Reflexion auf diese Begegnung. – Sehr kritisch ist auch Paolinelli, Marco, “Lo splendore del Carmelo in S. Teresa Benedetta della Croce”, in: Quaderni Carmelitani 15 (1998) 151-176 und 16-17 (1999-2000) 213-231. Anders als Paolinelli denke ich, dass Edith Stein sachlich genug differenzieren konnte, indem sie sehr wohl William Stern als „guten Freund“ betrachtete, dessen Mitarbeiterin sie bei Labor-Versuchen war, und zugleich von ihm sagen konnte, es hätte an seinem Lehrstuhl eine atheistische Atmosphäre geherrscht.
[23] Stein, Edith, „Psychische Kausalität“, in: Beiträge zur philosophischen Begründung der Psychologie und der Geisteswissenschaften, 1-109, ESGA 6, eingel. u. bearb. v. Beate Beckmann-Zöller, Freiburg i. Br. 2010, 73.
[24] ESGA 8, 171f.
[25] Stein, Edith, Briefe an Hedwig Conrad-Martius. Mit einem Essay über Edith Stein herausgegeben von Hedwig Conrad-Martius, München 1960, 72.
[26] „Psychische Kausalität“ wurde in Husserls Jahrbuch für Philosophie und phänomenologische Forschung V, 1922, veröffentlicht, Einführung in die Philosophie blieb unveröffentlicht bis 1991 (Edith Steins Werke 13). – Beckmann-Zöller, Beate, Phänomenologie des religiösen Erlebnisses. Religionsphilosophische Überlegungen im Anschluss an Adolf Reinach und Edith Stein, Würzburg 2003.
[27] Posselt, Renata, Edith Stein, Nürnberg, 1. Aufl., S. 22.
[28] Dobhan, Ulrich, „Edith Stein – die Karmelitin“, Edith-Stein-Jahrbuch 2006, 75-123, 80f.
[29] ESGA 4, Br. 96 (13.12.1925). Müller / Neyer, 117, 141. Andere schmerzende Erlebnisse dieser Zeit waren für sie die enttäuschte Liebe zu Roman Ingarden (1917/18), später zu Hans Lipps (1919-21) und das Scheitern ihrer Habilitationsversuche (1919/20).
[30] Sie waren beide Juden. Vgl. Beckmann-Zöller, Beate, „Adolf und Anne Reinach. Edith Steins Mentoren“, in: Gottstein, Dietrich / Sepp, Hans Rainer (Hg.), Polis und Kosmos. Perspektiven einer Philosophie des Politischen und einer Philosophischen Kosmologie. Eberhard Avé-Lallemant zum 80. Geburtstag, Würzburg 2008, 296ff.
[31] Vgl. Anm. 5.
[32] P. Johannes Hirschmann SJ in einem Brief an Teresia Renata Posselt (13.5.1950), Edith-Stein-Archiv, Köln, Signatur GIJ/Hi. Zitiert in Müller / Neyer, 121.
[33] ESGA 4, Br. 96 an Roman Ingarden (13.12.1925).
[34] P. Johannes Hirschmann SJ in einem Brief an Teresia Renata Posselt (13.5.1950), Edith-Stein-Archiv, Köln, Signatur GIJ/Hi. Zitiert in Müller / Neyer, 121.
[35] Das bezeugt Pauline Reinach im Seligsprechungs-Prozeß, s.o., 438s.
[36] So bei Przywara, Erich, In und gegen. Stellungnahmen zur Zeit, Nürnberg 1955, 64, 72.
[37] Ein Bild des hl. Franziskus von Cimabue hing bei der Trauung von Edith Steins Schwester Erna am 5.12.1920 „zufällig“ über deren Kopf: „Es war mir ein großer Trost, dass er da war,“ schrieb Edith Stein (ESGA 1, 188).
[38] Marco Paolinelli, der alle einschlägigen Zeugenaussagen untersuchte, die die Version von Teresia Renata Posselt wiedergeben, jedoch keine Augenzeugen waren wie Pauline Reinach in Göttingen, sagt klar: „Es muß von Anfang an beachtet werden: Die Bedeutung, die die Lektüre der Vida Edith Steins für ihre endgültige Bekehrung hatte, steht außer Zweifel, wie auch immer die Dinge liegen.“ Paolinelli, Marco, “Lo splendore del Carmelo in S. Teresa Benedetta della Croce”, in: Quaderni Carmelitani 16-17 (1999-2000) xxx-xxx, 215.
[39] Herv. d. BBZ. – In der italienischen Übersetzung (Edith Stein. Brescia, 1952, 171; 21959, 197) hat sich ein improvvisamente – plötzlich eingeschlichen, außerdem heißt es verità – Wahrheit, wodurch einem falschen Verständnis Vorschub geleistet wird. Die Übersetzung von 1998 (Come giunsi al Carmelo di Colonia. Monza – Roma) ist korrekt (20). Vgl. Dobhan, Ulrich, „Edith Stein – die Karmelitin“, Edith Stein Jahrbuch 2006, 75-123, Anm. 33.
[40] Siehe dazu das Kirchenlied, das bis in die 70er/80er Jahre des 20. Jahrhunderts gesungen wurde: „Wir sind im wahren Christentum, o Gott wir danken dir. … Die Kirche, deren Haupt du bist, lehrt einig, heilig, wahr…“. Nr. 33 im „Ave Maria“, dem Gesangbuch der Diözese Würzburg. Das ist als Abgrenzung gegen Protestanten, nicht gegen Atheisten gerichtet. Vgl. Dobhan, Ulrich, Edith Stein – die Karmelitin, Anm. 35.
[41] „Freiheit und Gnade“, 1921; ESGA 9.
[42] Aus einem Bericht aus dem Jahre 1948 in: Herbstrith, Waltraud (Hg.), Erinnere dich – vergiss es nicht, 307.
[43] Stein, Edith, Briefe an Hedwig Conrad-Martius. Mit einem Essay über Edith Stein herausgegeben von Hedwig Conrad-Martius, München 1960, 72f. Als Vortrag bei der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit gehalten und zum ersten Mal veröffentlicht in Hochland 51 (1958/59) 38–46.
[44] Vgl. dazu Beckmann, Beate, Phänomenologie des religiösen Erlebnisses. Religionsphilosophische Untersuchung im Anschluß an Adolf Reinach und Edith Stein, Würzburg 2003, Kap. 4.6.4.5 Akte des „Unglaubens“ – Formen des Atheismus, 248-251. Und Beckmann-Zöller, Beate, „Gott will gesucht und gefunden werden – auch heute. Edith Stein und das Phänomen des Atheismus“, in: Katholische Bildung, Heft 3 / 4, 118. Jg., 2017, 69-78.
[45] Batzdorff, Susanne, Edith Stein – meine Tante. Das jüdische Erbe einer katholischen Heiligen, Würzburg, 2000, 51.
[46] Vgl. Dobhan, Ulrich, „Vom ‚radikalen Unglauben‘ zum ‚wahren Glauben‘“, in: Edith Stein Jahrbuch 2009, 53-84, 55.
[47] Während ihrer Exerzitien mit P. Johannes Hirschmann SJ vom 3. bis 11. September 1941 notierte Edith Stein für den 6. September unter dem Titel „Anregungen im Gebet“ folgendes Bekenntnis: „Zustand meiner Seele vor der Konversion: Sünde des radikalen Unglaubens. Rettung rein durch die Barmherzigkeit Gottes ohne eigenes Verdienst. Dies oft erwägen, um demütig zu werden.“ ESGA 20, 84.
[48] Vgl. dazu Dobhan, Ulrich, „Vom ‚radikalen Unglauben‘ zum ‚wahren Glauben‘“, Edith Stein Jahrbuch 2009, 53-84.
[49] Archiv Edith-Stein-Karmel, Tübingen. Zitiert nach dem Aufschrieb von Elisabeth Otto: Welt – Person – Gott. Eine Untersuchung zur theologischen Grundlage der Mystik bei Edith Stein, Vallendar-Schönstatt 1990, 183.
[50] S. o. Anm. 22.
[51] „Und wenn die intellektuelle Einstellung zum absoluten Sein sich ungehemmt auswirkt, so entspringt ihr die affektive Bejahung des absoluten Seins und das praktische Verhalten, das dadurch gefordert ist.“ (ESGA 10, 143). Vgl. dazu Beckmann, Phänomenologie des religiösen Erlebnisses, 248.
[52] Beckmann, Phänomenologie des religiösen Erlebnisses, 236-241.
[53] HS II, B, I., Herv. d. BBZ.
[54] Augustinus, Confessiones. Latein-Deutsch, Stuttgart 2012
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