Edith Stein im Alltag des Karmel

Teresia Margareta Drügemöller (1910-2007)

Edith Stein im Alltag des Karmel „Maria vom Frieden“ Köln (1987)


„Immer war es mir, als hätte der Herr mir im Karmel etwas aufgespart, was ich nur dort finden könnte!“[1] So sagte Edith Stein, als sie um die Aufnahme in den Kölner Karmel bat.

[1] Wie ich in den Kölner Karmel kam, in: ESGA 1, 345-362 (353).

Einführung von P. Ulrich Dobhan OCD...

Einführung zum Aufsatz von Sr. Margareta Drügemöller
„Edith Stein im Alltag des Karmel“

Dieses kleine Heftchen – 1987 als Privatdruck im Kölner Karmel erschienen – enthält einen von der Autorin für die Zeitschrift „Dienender Glaube. Zeitschrift für Ordensfrauen“[1] verfassten Artikel, der als Hinführung zur Seligsprechung Edith Steins am 1. Mai 1987 in Köln gedacht war. Es ging der ehemaligen Mitnovizin darum, Edith Stein – gleichsam aus erster Hand – den Leserinnen bekannt zu machen, denn sie hat die ganze Zeit, die sie im Kölner Karmel verbracht hat, mit ihr geteilt. Besonders eindringlich ist deshalb auch die Abschiedsszene beschrieben, die ihr in besonderer Weise im Gedächtnis geblieben war.

Sr. Teresia Margareta war die Erste, die mit der Sammlung von Gegenständen der Erinnerung an Edith Stein begonnen hat und deshalb als Begründerin des Edith Stein Archivs im Kölner Karmel gelten darf. Sie hat schon früh an die Selig- und Heiligsprechung ihrer großen Mitschwester geglaubt und mit großer Freude an beiden Feiern teilgenommen. Und als Papst Benedikt XVI. 2005 zum Weltjugendtag nach Köln gekommen ist, und sie mit anderen Ordensleuten bei der Messe mit ihm dabei war, konnte sie es nicht lassen, ihn um die Ernennung Edith Steins zur Kirchenlehrerin zu bitten. Der Papst gab eine typisch römische Antwort: „Ja, das muss man studieren!“ Dabei ist es bis heute geblieben.

Der Alltag von Sr. Teresia Benedicta, den die Autorin vor allem beschreiben möchte, ist wohl nicht so harmonisch verlaufen, denn immer wieder bekam sie die damals sehr legalistische Sicht des Karmellebens zu verspüren, wie sie 14 Monate nach ihrem Eintritt an eine Freundin schreibt: „Ich habe das Gefühl, dass das eigentliche Noviziat erst vor kurzem begonnen hat, seitdem das Eingewöhnen in die äußeren Verhältnisse – Zeremonien, Bräuche u. dergl. – nicht mehr so viel Kraft verbraucht.“[2] Das entsprach natürlich ganz und gar nicht  der Intention der Madre Fundadora Teresa, was für Edith Stein noch bedrückender gewesen sein mochte, da sie bereits seit der Lektüre der Selbstbiographie Teresas im Sommer 1921 sehr gut verstanden hatte, worin Teresas Charisma bestand.

Auch machte ihr die nicht gerade freundliche Haltung ihrer Priorin zu schaffen, die „von der Idee, Akademikerinnen neigten zu schlimmem Hochmut und bedürften der ‚Demütigung’, um sich zur Bescheidenheit durchzuringen, nicht abzubringen war“[3]. Das exerzierte sie nun auch an Edith Stein durch, die das wohl einordnen konnte, weil sie wusste, dass ihre Novizenmeisterin aufgrund ihrer eigenen Erziehung gar nicht anders konnte, es aber auch aushalten musste.

Zum Anderen glaubte diese Priorin lange, dass es mit Hitler nicht so schlimm werden würde.[4] Wahrscheinlich hätte Edith Steins Flucht doch noch organisiert werden können, wenn sie einen realistischeren Blick gehabt hätte.[5] Doch stand sie mit dieser heute recht naiv anmutenden Haltung nicht allein.[6] Wie hat das wohl Edith Stein zugesetzt, die schon 1933 einen „Brandbrief“ an den Papst geschrieben hat, von dem die Autorin allerdings nichts wissen konnte? Umso beeindruckender ist es, wie Sr. Margareta die immer dramatischer werdende Situation der Juden in Deutschland am Beispiel von Edith Steins Schicksal nachzeichnet; daran erkannt man, wie sehr sie ihr verbunden war und an ihrem Schicksal Anteil genommen hat.

Es ist erstaunlich, wie Edith Stein mit den engen Gegebenheiten eines Lebens im Karmel zurechtgekommen ist, wo sie doch von zu Hause her große Weite und Offenheit gewohnt und auch in ihrer Studienzeit kaum eingeengt war. Die finanziellen Verhältnisse ihrer Mutter machten Edith ein sorgenfreies Leben möglich, denn diese sorgte immer wieder dafür, ihr Geldkonto aufzufüllen. Eine diskrete Andeutung mag ihr Hinweis auf das Leben im Karmel zu Echt sein: „Meine Grundstimmung, seit ich hier bin, ist Dankbarkeit; Dank, dass ich hier sein darf und dass das Haus so ist, wie es ist. Dabei ist in mir immer lebendig, dass wir hier keine dauernde Statt haben. Ich habe kein anderes Verlangen, als dass an mir und durch mich der Wille Gottes geschehe. Bei ihm steht es, wie lange er mich hier lässt und was dann kommt.“[7] So hatte sie im „Willen Gottes“ ihre Heimat gefunden und war dadurch innerlich ganz frei geworden.

Die Ahnung, die sie beim Eintritt in den Karmel aussprach: „Immer war es mir, als hätte der Herr mir im Karmel etwas aufgespart, was ich nur dort finden könnte“,[8] hat sich auch in dieser Hinsicht bewahrheitet.

Ulrich Dobhan OCD

[1] Heft 4 / 1987, Verlag Butzon & Bercker, Kevelaer. Später als ESGD-Schrift herausgegeben.

[2] Brief vom 15.12.1934 an H. Conrad-Martius (ESGA 3, Brief 353). Diesen Eindruck, dass das Einprägen all dieser Zeremonien und Gebräuche die größte Schwierigkeit für Edith Stein war, nahm diese Freundin nach einem ersten Besuch im Karmel mit (M. A. Neyer, Teresia Renata Posselt ocd. Ein Beitrag zur Chronik des Kölner Karmel (2. Teil), in: Edith Stein Jahrbuch 9 (2003) 447-487 (470).

[3] M. A. Neyer, Teresia Renata Posselt ocd, 468.

[4] Siehe V. E. Schmitt, Antisemitismus im klösterlichen Umfeld Edith Steins?, in: Edith Stein Jahrbuch 27 (2021) 41-49.

[5] M. A. Neyer, Teresia Renata Posselt ocd., 473. Siehe dort auch eine korrekte Wiedergabe und Interpretation der mit der „Wahl“ am 10. April 1938 im Sprechzimmer des Kölner Karmel verbundenen Fakten. (M. A. Neyer, Teresia Renata Posselt ocd, 471-473).

[6] Siehe z. B. K. Flasch, Katholische Wegbereiter des Nationalsozialismus. Michael Schmaus, Joseph Lortz, Josef Pieper. Frankfurt am Main 2021.

[7] AaO. Brief 614 vom 16.4.1939 an Petra Brüning.

[8] Aus dem Leben einer jüdischen Familie (ESGA 1,353).

 

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Zum Inhalt...

„Immer war es mir, als hätte der Herr mir im Karmel etwas aufgespart, was ich nur dort finden könnte!“[1] So sagte Edith Stein, als sie um die Aufnahme in den Kölner Karmel bat.

Am 14.10.1933 überschritt sie „im tiefen Frieden die Schwelle zum Hause des Herrn.[2] – Es konnte keine stürmische Freude in mir aufkommen, dazu war das zu schrecklich, was hinter mir lag.“[3] Was so schrecklich war, war der Abschied von der Mutter und den Geschwistern. Man konnte das schwere Erlebnis an den ernsten, übernächtigten Zügen ablesen, als die Postulantin Edith Stein dem Konvent vorgestellt wurde. Die Philosophin, die in der Gelehrtenwelt einen Namen hatte, betrat unser Kloster in größter Einfachheit und Bescheidenheit.

Schon sehr bald begann für sie der Alltag, und zwar jetzt der Alltag im Karmel. Edith Stein war eine Künstlerin des Alltags. Es ist ihr nichts erspart geblieben, und nichts ist ihr in den Schoß gefallen. Auch sie hat ringen müssen.

Als Edith Stein in den Kölner Karmel eintrat, hatte sie bereits einen langen Weg hinter sich. Als junges Mädchen führte ihr Weg durch eine große Gottferne, wo sie sich das Beten bewusst abgewöhnt hatte.[4] Erst die Begegnung mit gläubigen Christen brachte die reichbegabte Jüdin langsam wieder zum Glauben an Gott, dann aber auch zum Glauben an Jesus Christus, den Gekreuzigten.[5]

Am 1. Januar 1922 wurde sie getauft und am 2. Februar desselben Jahres gefirmt. Wenn sie auch gehofft hatte, nun gleich in den Karmel eintreten zu können, so musste sie einsehen, dass sie, die der Mutter mit ihrer Taufe den größten Schmerz bereitet hatte, ihr nun nicht auch das noch antun durfte. Erst nach elf Jahren einer langen Schultätigkeit, verbunden mit wissenschaftlichen Arbeiten, mit Vorträgen und einer kurzen Zeit Dozententätigkeit am Deutschen Institut für Wissenschaftliche Pädagogik in Münster, die im Frühjahr 1933 abgebrochen wurde, öffneten sich ihr die Pforten des Karmels.[6] Nun „hatte sie endlich alles, was sie draußen vermisst hatte, und vermisste nichts mehr von dem, was sie ‚draußen‘ hatte“[7].

Was ahnten wir jungen Schwestern im Noviziat, wer nun die Postulantin Edith sein mochte? Was wussten wir von ihrer Gelehrtenlaufbahn, die sie hatte abbrechen müssen? Wir wussten nur von einer 42jährigen Postulantin Edith, die sich, wie es schien, ganz selbstverständlich in unser Noviziat einfügte. Die damalige Mutter Priorin[8] und die Novizenmeisterin[9] glaubten, es sei für alle Beteiligten besser, wenn wir Novizinnen von allem nichts wüssten. Nur langsam und meistens durch Zufall erfuhren wir, wer die Postulantin Edith war. Gleich in den ersten Erholungsstunden erzählte sie uns von ihrer Mutter,[10] vom verstorbenen Vater,[11] von ihren Geschwistern.[12] Wir waren neugierig, und weil wir bisher von der Novizenmeisterin nichts hatten erfahren können, gab sie uns auf unsere Fragen bereitwillig Auskunft.

So ergab es sich eines Tages, dass die Postulantin ihren Erzählungen den Satz anfügte: „Meine Angehörigen sind ja Juden!“ Der Novizenmeisterin[13] mag es nicht ganz recht gewesen sein, dass die Postulantin so schnell von ihrer jüdischen Abstammung sprach.[14] Von dieser daraufhin angesprochen, habe sie mit der größten Liebenswürdigkeit geantwortet: „Wenn ich jetzt Freud und Leid mit den Schwestern tragen soll, dann müssen auch meine Mitschwestern Freud und Leid mit mir teilen können und müssen wissen, dass ich Jüdin bin.“ Noch am selben Tag hat mir unsere Novizenmeisterin diese Antwort weitergegeben. Langsam erfuhr ich durch meine Verwandten, wer unsre Postulantin Edith war, die sich bemühte, den Alltag im Karmel auf sich zu nehmen.

Die neue Postulantin aber fand im Karmel ihre neue Heimat. Die ernsten Gesichtszüge, auf denen die Spuren eines sehr harten Abschieds von daheim lagen, hellten sich auf, so dass sich ihr Äußeres ganz verwandelte und sie um 20 Jahre jünger erschien. Ihr Alltag als Postulantin war zunächst sorgenfrei. Sie bemühte sich mit uns, immer tiefer in den Geist des Ordens einzudringen. Chorgebet, Meditation und Arbeit wechselten im Laufe des Tages.[15] Größte Freude bereitete ihr das Chorgebet. Seit ihrer Taufe[16] hatte sie täglich, neben einem reichen Arbeitstag, das römische Brevier gebetet. Nun konnte sie es beten und singen in einer Gemeinschaft von Schwestern. Wie liebte sie die Psalmen, diese jahrtausendealten Gebete des Volkes Gottes, dem auch sie angehörte.

„Jerusalem, preise den Herrn,
lobsinge, Zion, deinem Gott!
Denn er hat die Riegel deiner Tore festgemacht,
die Kinder in deiner Mitte gesegnet…
Er verkündet Jakob sein Wort,
Israel seine Gesetze und Rechte.
An keinem anderen Volk hat er so gehandelt,
keinem sonst seine Rechte verkündet“ (aus Ps 147).

Wir können uns mitfreuen an dem Bewusstsein des Volkes, auserwählt zu sein unter allen Völkern der Erde. Von Jugend auf weiß der Israelit, dass die Wolke der Herrlichkeit Gottes auf ihm ruht. Wo immer er sein mag auf dieser Erde, Gottes Herrlichkeit ist über ihm. Er bleibt sich der Worte der Heiligen Schrift bewusst: „Dieses Volk ist Gottes Sohn!“[17] Auch Sr. Benedicta war sich der Auserwählung als Tochter Israels bewusst, wenn auch in größter Bescheidenheit. Es war beglückend, sie so zu erleben, weil sie ganz Gottes war und auch Tochter des auserwählten Volkes Gottes. Sie war Jüdin, aber sie betonte auch immer, „deutsche Jüdin“ zu sein, so wie sich ihre Mutter und ihre Verwandten stets „deutsche Juden“ nannten. Dieses Selbstbewusstsein verlieh Sr. Sr. Teresia Benedicta eine große Ausstrahlungskraft.[18]

Nicht nur beim Chorgebet, auch bei der Meditation[19] hatte man den Eindruck eines ganz in Gott versenkten Menschen. Sie selbst dachte und sprach sehr zurückhaltend von ihrem Gebet: „Wenn Sie mich im Chor an meinem Platz vorstellen, dann bitte ohne weißen Mantel – der gehört nur zur hl. Kommunion und zum feierlichen officium I. Klasse –, sondern im alten braunen Habit, ganz klein am Boden. So sind auch meine Betrachtungen keine hohen Geistesflüge, sondern meist sehr bescheiden und einfach. Das Beste daran ist die Dankbarkeit dafür, dass mir dieser Platz als irdische Heimat und Stufe zur ewigen Heimat geschenkt ist.“[20] Wenn sie betont, ihre Betrachtungen seien meist nur bescheiden und einfach, so gab es also auch Ausnahmen. Darauf ist noch zurückzukommen.

Der Alltag der Postulantin Edith hatte neben den Gebetsstunden auch emsige Arbeitsstunden. Die längste Arbeitszeit ihres Aufenthaltes im Kölner Karmel beanspruchten ihre wissenschaftlichen Arbeiten, vor allem die Umarbeitung einer begonnenen Arbeit in das Werk „Endliches und ewiges Sein“.[21] Aber es gab auch häusliche Arbeiten, wenn das Haus gekehrt und geputzt werden musste. Jede Schwester hat für einen bestimmten Bezirk des Hauses Sorge zu tragen. Auch die neue Postulantin Edith bekam ihren Bezirk zugewiesen. Mit welchem Eifer putzte sie, mit welchem Kraftaufwand und mit welchem Ungeschick! Aber die Postulantin Edith lernte, wie man den Besen gebraucht um zu kehren, wie man den Boden aufwischt und vieles dergleichen.

Für sich selbst sah sie in ihrem hausfraulichen Ungeschick „eine Schule der Demut, wenn man Dinge zu tun hat, die man nur mit großer Mühe sehr unvollkommen fertig bringt“[22]. Wie die Frau ihres Vetters Richard, so hätte auch sie sagen können: „All diese Dinge sind um so komplizierter, je weiter sie von der Philosophie entfernt sind.“[23]

Sie verlor bei diesen Arbeiten nie den Humor. Es war köstlich, wenn sie in der Rekreation ihre Abenteuer mit Besen und Putzlappen zum Besten gab. Andererseits bedauerte sie, in jungen Jahren gar nicht angeleitet worden zu sein, einige Handgriffe im Haushalt zu lernen.

Die Einkleidung der Postulantin war ein großes Fest, ebenso ein Jahr später ihre Profeß.[24] Aus der Postulantin war eine Novizin, aus der Novizin eine Profeßschwester geworden. Ihren Namen „Teresia Benedicta vom Kreuz“ hatte sie, wie sie an eine befreundete Ordensfrau schrieb, „mit ins Haus gebracht …, denn unter dem Kreuz verstand ich das Schicksal des Volkes Gottes, das sich damals anzukündigen begann. Ich dachte, die es verstünden, dass es das Kreuz Christi sei, müssten es im Namen aller auf sich nehmen. Heute weiß ich mehr davon als vor meinem Eintritt, was es heißt, dem Herrn im Zeichen des Kreuzes vermählt zu sein.“[25] Das Kreuz Christi gehörte unbedingt mit in den Alltag unserer Mitschwester Teresia Benedicta. Sie hat schwer gelitten, wenn sie Nachricht erhielt vom Schicksal ihrer Verwandten, Freunde und Bekannten. In diesen Jahren der Nazizeit steigerte sich die Ächtung der Juden von Tag zu Tag.

Sr. Teresia Benedicta arbeitete mit großem Fleiß an ihrer wissenschaftlichen Arbeit „Endliches und ewiges Sein“, um sie möglichst bald druckfertig zu haben. Der Druck ging auch zunächst zügig voran. Dann aber gab es große Schwierigkeiten. „Wie es mit dem Erscheinen dieses Werkes wird, weiß ich noch nicht. Sollte es noch möglich sein, so würde es mein Abschiedsgeschenk an Deutschland sein“[26], schrieb sie wenige Wochen vor ihrer Flucht. Es kam die Nacht vom 9. November 1938, die sogenannte „Reichskristallnacht“, in welcher der braune Pöbel im ganzen deutschen Reichsgebiet die Juden belästigte, bedrohte, verängstigte. Auch kostbare Kunstwerke wurden vernichtet, die Synagogen in Brand gesteckt. Grölend zogen die Nazis durch die Straßen, Spottlieder auf die Juden singend.

Sr. Teresia Benedicta war wie erstarrt, als sie von all dem erfuhr. Um unser Kloster nicht in Gefahr zu bringen, beantragte sie sofort ihre Versetzung in unser Schwesternkloster Echt in den Niederlanden.[27] Kurz nach Weihnachten waren alle Formalitäten erledigt. Dieses Weihnachtsfest im Kölner Karmel war von all den vergangenen Ereignissen überschattet. Sr. Teresia Benedicta schrieb in einem Weihnachtsbrief: „Je dunkler es um uns wird, desto mehr müssen wir unser Herz für das Licht von oben öffnen.“[28]

Am 31. Dezember 1938 war der schwere Abschied vom Kölner Karmel. Dazu versammelten sich alle Schwestern im Erholungsraum. Sie sprach noch einige wenige Worte des Dankes und umarmte zum Abschied jede einzelne Schwester. Als sie mich umarmte, konnte ich nur noch ihren Namen nennen. Für einen Augenblick schluchzte sie laut auf, fasste sich aber sogleich und ging zur nächsten Schwester, um Abschied zu nehmen.[29]

„Menschlichen Trost gibt es nicht, aber der das Kreuz auferlegt, versteht es, die Last süß und leicht zu machen… […] Ich durfte mit dem Auto, das mich herbrachte, noch erst nach der Schnurgasse fahren und den Segen der Friedenskönigin holen. Wie schwer der Abschied von der lieben klösterlichen Familie war, das brauche ich wohl nicht zu schildern!“[30] So schrieb sie an eine befreundete Ordensfrau. Einer befreundeten Dame teilte sie mit: „Ich habe es [das neue Jahr] vor dem Allerheiligsten im Kreis der neuen klösterlichen Familie begonnen. Sie können sich denken, dass der Abschied von Köln sehr schmerzlich war. Aber ich bin wieder im Karmel und von herzlicher mütterlicher und schwesterlicher Liebe umgeben. Das Haus hier wurde von den Kölner Karmelitinnen begründet, die 1875 ausgewiesen wurden.“[31]

Wie im Kölner Karmel arbeitete Sr. Teresia Benedicta auch in Echt zunächst weiter an ihren wissenschaftlichen Arbeiten, um den Druck des Werkes „Endliches und ewiges Sein“ doch noch zu ermöglichen. Sie sorgte sich um ihre Geschwister in Breslau. Einige wanderten noch rechtzeitig aus, andere wollten ihre deutsche Heimat nicht verlassen. Alle Anliegen und alle Nöte, die ihr zugetragen wurden, nahm sie mit ins Gebet. In ihren Briefen, die sie zu dieser Zeit schrieb, bat sie auch immer wieder ihre Adressaten, in ihren schweren Anliegen mitzubeten. Der Alltag im Karmel von Echt wurde von Tag zu Tag dunkler, wenn dieser auch durch große schwesterliche Liebe und viel Verständnis für sie gemildert wurde.

Sr. Teresia Benedicta schritt auf einem sehr schmalen Weg zum Gipfel des Karmel empor. Der Weltkrieg breitete sich immer weiter aus. Auch die Niederlande waren bedroht. Am 29. Oktober 1939 schrieb sie in einem Brief: „Das große opus [Endliches und ewiges Sein] ruht.“ Alle Hoffnungen, das Werk noch veröffentlicht zu sehen, waren entschwunden. Der Verleger (Borgmeyer, Breslau) hatte jede Möglichkeit verloren. So berichtet sie nun: „Alle Bemühungen sind gescheitert. Ich weiß nichts mehr zu tun, als dem Herrn die Sache anheimzustellen. Nachdem die Korrekturarbeit aufhörte, habe ich um Arbeit im Haus gebeten. […] Ich habe die Sorge für das Refektorium. Dazu kommen gemeinsame Arbeiten in dem großen ländlichen Haushalt, große Wäsche, Hausputz und dergleichen.“[32] Nebenbei entstanden noch einige kleine Schriften; doch viel Zeit blieb ihr neben den häuslichen Arbeiten nicht mehr.

Über ihre damaligen Empfindungen schrieb sie in einem Brief: „Meine Grundstimmung, seit ich hier bin, ist Dankbarkeit; Dank, dass ich hier sein darf und dass das Haus so ist, wie es ist. Dabei ist in mir immer lebendig, dass wir hier keine dauernde Statt haben. Ich habe kein anderes Verlangen, als dass an mir und durch mich der Wille Gottes geschehe. Bei ihm steht es, wie lange er mich hier lässt und was dann kommt.“[33]

Ob sie ahnen mochte, was auf sie zukommen könnte? „Viel Gebet ist nötig, um in jeder Lage treu zu bleiben“[34], heißt es in einem anderen Brief. Auch die Heiligen sind Menschen, die das Unrecht ihnen gegenüber bitter fühlen, es aber in der Nachfolge ihres gekreuzigten Herrn zu tragen suchen. „Befreiung vom Kreuz kann man ja nicht wünschen, wenn jemand den Titel ‚vom Kreuz‘ hat“, schrieb sie an eine Karmelitin am 17. November 1940.[35] Sr. Teresia Benedicta hat täglich ihr Kreuz gespürt und täglich dazu neu ihr „Ja“ gesagt.

Seit Mai des Jahres 1940 waren auch die Niederlande vom Zweiten Weltkrieg überrollt. Immer dunkler erschien die Zukunft. Von den Vorgesetzten erhielt sie in diesem Herbst den Auftrag, über den heiligen Johannes vom Kreuz eine Arbeit zu schreiben. Den Anlass dazu gab der bevorstehende 400. Geburtstag des Heiligen (1542-1942). Sr. Teresia Benedicta sammelte Material und machte sich gleich ans Werk. Dem neuen Werk, das entstehen sollte, gab sie den Namen „Kreuzeswissenschaft“[36]. Dieser Auftrag mag etwas befreiend auf Sr. Teresia Benedicta gewirkt haben. Von Jugend auf war sie gewöhnt, geistig zu arbeiten. Man möchte es auch aus ihrem bereits oben erwähnten Brief entnehmen, wenn sie schreibt: „Ich bin dankbar, wenn ich noch einmal etwas tun darf, ehe das Gehirn völlig einrostet.“[37] Zunächst entstand als kleine Vorarbeit die Schrift „Wege der Gotteserkenntnis – Die ‚symbolische Theologie‘ des Areopagiten und ihre sachlichen Voraussetzungen“.[38] Jede freie Minute widmete sie nun wieder den schriftstellerischen Arbeiten.

Zwischendrin – 12. Oktober 1941 – wurde ihr 50. Geburtstag innerhalb des Konvents gefeiert. Ein kleines Theaterspiel machte ihr offensichtlich Freude. Dazu schrieb sie in einem Brief: „Ich habe nicht nur Abraham gesehen, sondern auch Henoch und Noe, Isaak und Jakob, Moses und Aaron, David, Elias und Elisäus. Abraham war eine ehrwürdige Gestalt. An Moses war nur die Nase imposant, sonst war er klein und possierlich; auf der Rückseite seiner Gesetzestafeln stand der Küchenzettel der letzten Woche. Dieser stattliche Zug wurde ermöglicht, da wir jetzt für Karmelverhältnisse ein ungewöhnlich großes Noviziat haben.“[39]

Wenige Wochen später berichtete sie, ihre Schwester Frieda sei von den Nazis aus dem Elternhaus herausgeholt worden und sei nun dienstverpflichtet in einer „jüdischen Wohngemeinschaft“[40]. Dort wohne sie mit elf vornehmen Frauen aus Breslau in einer Dachkammer. Der ältere Bruder sei in Erwartung ähnlicher Maßnahmen. Ihre Schwester Rosa hatte noch rechtzeitig Zuflucht gefunden an der Klosterpforte des Echter Karmel. Schwer lastete diese Nachricht auf Sr. Teresia Benedicta, da sie ihren Geschwistern mit großer Liebe zugetan war.

Noch andere schmerzliche Enttäuschungen musste sie erleben. Im Hinblick auf das Kreuz Christi nahm sie alle Bitterkeiten auf sich. Gegen Ende des Jahres 1941 (das sichere Datum ist unbekannt) schrieb sie: „Eine Scientia Crucis [Kreuzeswissenschaft] kann man nur gewinnen, wenn man das Kreuz gründlich zu spüren bekommt. Davon war ich vom ersten Augenblick an überzeugt und habe von Herzen ‚Ave Crux, spes unica‘ [Sei gegrüßt, Kreuz, unsere einzige Hoffnung!‘] gesagt.“[41]

Seit Jahren spürte sie die Last des Kreuzes in seiner ganzen Härte. Die Ideologie des Nationalsozialismus, die bitterste Not ihres jüdischen Volkes mit allen Begleiterscheinungen, der harte Krieg mit der äußersten Verarmung des Volkes gingen Sr. Teresia Benedicta sehr zu Herzen. Schon vor Jahren hatte sie die kommende Katastrophe vorausgesehen und Gott ihr Leben angeboten, um all das Unheil zu verhindern. Nur von Gott erwartete sie Hilfe, weil sie erkannt hatte, dass menschliche Hilfe in all dieser Not versagte. „Ich vertraue darauf, dass der Herr mein Leben angenommen hat. Ich muss immer wieder an die Königin Esther denken, die gerade darum aus ihrem Volk herausgenommen wurde, um für das Volk vor dem König zu stehen. Ich bin nur eine sehr arme und ohnmächtige, kleine Ester. Aber der König, der mich erwählt hat, ist unendlich groß und mächtig. Das ist mein Trost!“[42] So schrieb sie an eine befreundete Ordensfrau.

Sie wusste um ihre eigene unsichere Lage und die ihrer Schwester Rosa. Eine Hiobsbotschaft nach der anderen drang auch in die Einsamkeit des Karmel von Echt. Sr. Teresia Benedicta bemühte sich um die Ausreise in die Schweiz. Die Verhandlungen verzögerten sich. Zugleich hoffte sie, „dass es vor Kriegsende keine Veränderung der Lage gibt“[43]. Wohlmeinende Menschen schalteten sich ein. Sie warnten, sie baten darum, sie zu verstecken. Aber Sr. Teresia Benedicta lehnte ab. Indessen arbeitete sie rastlos an der „Kreuzeswissenschaft“, vielleicht unbewusst ahnend, wie wenig Zeit ihr noch bleiben würde.

Gewiss haben die Gebetsstunden und ihre Arbeit an der „Kreuzeswissenschaft“ Edith Stein manche schwere Stunde erleichtert. Während sie in ihrer Arbeit Leben und Lehre des heiligen Johannes vom Kreuz in wissenschaftlicher Exaktheit zu Papier brachte, enthüllte sie in diesem Werk ungewollt ihr eigenes mystisches Gnadenleben. Sie wusste um ihre außergewöhnliche Begnadung; sie wusste um die Führungen und Fügungen Gottes in ihrem Leben. Sie wusste, wie sie von Gott ergriffen wurde, aus ihrer Gottferne von ihm in seine Nähe gerufen wurde. Sie wusste um die lichtvollen Erkenntnisse, die ihr von Gott geschenkt wurden.

In der „Kreuzeswissenschaft“ zeichnete sie gewiss den geistlichen Weg ihres heiligen Ordensvaters Johannes vom Kreuz, aber es ist unverkennbar, dass sie auch von ihren eigenen Erlebnissen berichtete. Sie sprach aus Erfahrung, wenn sie schrieb: „Sollte einmal ein Ungläubiger von der Gnade ergriffen werden, so würde ihn die bisher nicht angenommene Glaubenslehre zu der Erkenntnis verhelfen, von ‚Wem‘ er ergriffen wird. […] Die bloße Berührung im Innersten hat das Innewohnen der Gnade nicht notwendig zur Voraussetzung. Sie kann bei einem völlig Ungläubigen zur Erweckung zum Glauben und als Vorbereitung für den Empfang der heiligmachenden Gnade geschenkt werden. Sie kann auch als Mittel dienen, einen Ungläubigen für bestimmte Zwecke tauglich zu machen… Sollte sie bei einer Seele einsetzen, die nicht im Stande der Gnade wäre, so müsste mit ihrem Beginn zugleich die heiligmachende Gnade geschenkt werden und als deren Vorbedingung die vollkommene Reue.“[44] Hier offenbarte Sr. Teresia Benedicta wohl ein eigenes Erlebnis im Rückblick auf ein großes Gnadengeschenk Gottes.

Von diesen Worten her ist es leicht, eine Verbindung zu suchen zu dem Bekenntnis, dass die Lesung des „Lebens“ unserer heiligen Mutter Teresa von Jesus ihrem langen, beharrlichen Suchen nach der Wahrheit ein Ende setzte.[45] Unermüdlich hatte sie in den vergangenen Jahren nach der Wahrheit geforscht. In den mystischen Erlebnissen der heiligen Teresa erkannte sie ihre eigenen inneren Erfahrungen als „Wahrheit“. Mit Sicherheit wusste sie jetzt, von „Wem“ ihr Inneres angerührt wurde. Gott selbst enthüllte ihr sein Geheimnis. Sie erkannte Gott, wie sie ihn früher nicht gekannt, und sie erkannte die eigenen Tiefen, die ihr früher verborgen waren. Von Gott begnadet, erfuhr sie in sich das „Feuer von Sion“, und ihre Liebe zu Christus glich dem „Glutofen von Jerusalem“, so lesen wir in ihrem Werk „Kreuzeswissenschaft“. Sie wusste: Alles ist Gnade. So fuhr sie betend fort: „Du gibst mir eine göttliche Erkenntnis, wie sie der ganzen Fähigkeit und Empfänglichkeit meines Verstandes entspricht! Du schenkst mir Liebe, entsprechend der erweiterten Kraft meines Willens, und erfüllst das Wesen meiner Seele durch deine göttlichen Berührungen und wesenhafte Vereinigung.“[46]

Während ihr Geist zur höchsten mystischen Vereinigung erhoben wurde, erfuhr Sr. Teresia Benedicta die äußerste Existenznot um ihr Leben, vor allem aber um das Leben ihrer Schwester Rosa, die sich sehr ängstigte und die alle Hilfe von ihrer Schwester erwartete. Die Verhandlungen um die Ausreise in die Schweiz wurden aussichtslos. Im letzten Brief, den sie noch im Karmel schrieb – oder doch von ihr erhalten blieb – heißt es: „Es ist sehr die Frage, ob wir hier die Erlaubnis zur Ausreise bekommen. Jedenfalls dürfte es sehr lange dauern. Ich wäre nicht traurig, wenn sie nicht käme. Es ist ja keine Kleinigkeit, zum zweiten Mal eine liebe klösterliche Familie zu verlassen. Aber ich nehme es, wie Gott es fügt!“[47] Als Sr. Teresia Benedicta am 29. Juli 1942 diese Zeilen schrieb, hatten die Nazis ihr Los und das Los aller katholischen Juden bereits beschlossen.

Am Sonntag, dem 26. Juli 1942, wurde in allen katholischen Kirchen ein Hirtenwort der niederländischen Bischöfe verlesen: ein Protest gegen die Verfolgung der Juden. Als Racheakt der Nazis wurden am folgenden Sonntag – 2. August 1942 – alle katholischen Juden verhaftet, auch Sr. Benedicta und ihre Schwester Rosa Stein. Über 900 Juden wurden im Sammellager Drente-Westerbork interniert.

Ein sehr schmerzlicher Alltag hatte begonnen. Aus dem Lager kamen noch drei kleine Briefe in den Karmel von Echt. Im Brief vom 5. August 1942 heißt es: „Wir vertrauen auf Euer Gebet. Es sind hier so viele Menschen, die etwas Trost brauchen, und sie erwarten ihn von den Schwestern.“[48] Mit ihren letzten Zeilen aus dem Lager, die sie am 6. 8. 1942 schrieb, bat sie um den nächsten Brevierband und fügte hinzu: „Konnte bisher herrlich beten.“[49]

Was in einer solchen Situation noch menschenmöglich ist, versuchte Sr. Teresia Benedicta, um die verängstigten Menschen zu trösten und zu stärken. Sie nahm sich der Kinder an, deren Mütter, von Leid überwältigt, nicht die Kraft aufbrachten, sich um ihre Kinder zu kümmern.

Am Freitagmorgen – 7. August 1942 – in aller Frühe wurden alle internierten katholischen Juden in den Osten transportiert. Freitag und Samstag waren die letzten Alltage im Leben von Sr. Teresia Benedicta und im Leben vieler Mitgefangener.[50] Am Sonntag – 9. August 1942 – erreichte der Transport sein Ziel: Arbeitslager Auschwitz. Dort wurden die arbeitsfähigen jungen Leute ins Arbeitslager eingewiesen. Alle übrigen wurden sogleich auf Lastwagen verladen und in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau gebracht. Am Sonntag – 9. August 1942 – wurden sie dort vermutlich durch Giftgas getötet.[51]

Es wird berichtet, dass manche Juden Psalmen singend in den Tod gegangen sind, so dass ihr Gesang über den weiten Lagerplatz hinweg zu hören war.

Auch Sr. Teresia Benedicta konnte in dieser Stunde nichts zurücknehmen von ihrer Hingabe an Gott und von ihrem Lebensangebot für die Not der Zeit. Sie war ganz eins geworden mit ihrem Herrn am Kreuz. Wie Gott sie zu den höchsten Höhen mystischen Lebens erhoben hatte, so hatte er sie auch hineingenommen in die letzte und äußerste Nachfolge seines Sohnes am Kreuz. Er hat sie vollendet und sie seiner Kirche geschenkt, als die vom Kreuz Gesegnete.

Edith Stein, Tochter des Volkes Israel und deutsche Jüdin, war geboren am großen Versöhnungstag des Volkes Gottes. „Meine Mutter hat auf diese Tatsache großen Wert gelegt, und ich glaube, dass dies mehr als alles andere dazu beigetragen hat, ihr ihr jüngstes Kind besonders teuer zu machen.“[52]

Diese große Frau könnte als versöhnendes Glied zwischen Juden und Christen stehen, damit beide vereint erkennen, dass sie Söhne und Töchter eines Vaters im Himmel sind, von dessen Liebe und Segen beide leben. – Edith Stein ist die erste heiliggesprochene im modernen Sinn berufstätige Frau. Papst Johannes Paul II. sieht sie besonders als eine Christin an, die lebendigen Glauben und vielseitiges Wissen miteinander in Einklang zu bringen wusste. Möge sie für uns Fürbitte leisten bei Gott, der wunderbar ist in seinen Heiligen.

[1] Wie ich in den Kölner Karmel kam, in: ESGA 1, 345-362 (353).

[2] A.a.O. 362.

[3] A.a.O. 361.

[4] Aus dem Leben einer jüdischen Familie, ESGA 1, 109.

[5] Das gilt in erster Linie für Anne Reinach, die Witwe des im Ersten Weltkrieg gefallenen Philosophen Adolf Reinach, auf die sie im März 1918 in Göttingen traf. Welchen Eindruck sie auf Edith Stein machte, hat sie später P. Johannes Hirschmann SJ erzählt: „Der entscheidendste Anlass zu ihrer Konversion zum Christentum war, wie sie mir erzählte, die Art und Weise, wie die ihr befreundete Frau Reinach in der Kraft des Kreuzesgeheimnisses das Opfer brachte, das ihr durch den Tod ihres Mannes an der Front des ersten Weltkrieges auferlegt war. In diesem Opfer erlebte sie den Erweis der Wahrheit der christlichen Religion und ward ihr geöffnet. Sie weilte damals nach dem Tode von Reinach in dessen Haus, um seinen Nachlass durchzusehen.“ (Edith-Stein-Archiv, Köln, Signatur GIJ/Hi).

[6] In einem Brief kommentiert sie das so: „Ich bin dem Umsturz, der mir diesen Weg freimachte, sehr zu Dank verpflichtet“. Selbstbildnis in Briefen I (ESGA 2), Brief 271 vom 4. August 1933 an Hilde Vérène Borsinger.

[7] Selbstbildnis in Briefen II (ESGA 3), Brief 370 vom 11. Februar 1935 an Konrad Schwind.

[8] Josepha a Sanctissimo Sacramento (Elisabeth Wery, 1876–1959), von 1926 bis 1936 Priorin des Kölner Karmel.

[9] Teresia Renata de Spiritu Sancto (Resi Posselt, 1891–1961), zunächst Novizenmeisterin, von 1936 bis 1961 Priorin des Kölner Karmel.

[10] Auguste Stein, geb. Courant (1849–1936).

[11] Siegfried Stein (1844–1893).

[12] Paul (1872–1943); Else (1874–1954); Arno (1879–1948); Elfriede (1881–1943); Rosa (1882–1942); Erna (1890–1978); Edith, die Jüngste, war 1891 geboren. Vier Geschwister waren im Kindesalter gestorben, Edith also nicht bekannt. Siehe Aus dem Leben einer jüdischen Familie (ESGA 1) 16.

[13] Das war Teresia Renata Posselt.

[14] Siehe dazu V. E. Schmitt OCD, Antisemitismus im klösterlichen Umfeld Edith Steins?, in: Edith Stein Jahrbuch 27 (2021) 41-49.

[15] Siehe die Tagesordnung damals im Kölner Karmel, in: Selbstbildnis in Briefen II (ESGA 3), Brief 304 vom 22. Februar 1935 an Adelgundis Jaegerschmid.

[16] Edith Stein war am 1. Januar 1922 in der Pfarrkirche St. Martin in Bergzabern getauft worden.

[17] Weish 18,13 b.

[18] Im „Inaugural-Lebenslauf“ schreibt sie: Ich bin preußische Staatsangehörige und Jüdin, in: Aus dem Leben einer jüdischen Familie (ESGA 1) 364.

[19] Gemeint sind die täglichen zwei Stunden inneres Beten.

[20] Selbstbildnis in Briefen II (ESGA 3), Brief 342 vom 17. Oktober 1934 an Petra Brüning.

[21] Endliches und ewiges Sein (ESGA 11/12). Dank der Weitsicht des damaligen Provinzials P. Theodor Rauch durfte sie weiterhin wissenschaftlich arbeiten, was zu damaligen Zeiten im Orden etwas völlig Ungewöhnliches war. Wissenschaftliches Arbeiten war damals für Karmelitinnen noch sehr verpönt, übrigens noch bis in die Zeit nach dem letzten Konzil. Der dafür angegebene Grund war, dass es von der Kontemplation ablenken würde.

[22] Selbstbildnis in Briefen II (ESGA 3), Brief 535 vom 12. Dezember 1937 an Petra Brüning.

[23] Richards erste Frau, Nelli, hatte gesagt: „Die Dinge sind um so komplizierter, je weiter sie sich von der Mathematik entfernen, und der Haushalt ist am weitesten von der Mathematik entfernt.“ Aus dem Leben einer jüdischen Familie (ESGA 1) 212.

[24] Edith Steins Einkleidung fand am 15. April 1934, die erste Profess am 21. April 1935.

[25] Selbstbildnis in Briefen II (ESGA 3), Brief 580 vom 9. Dezember 1938 an Petra Brüning.

[26] Ebd.

[27] Der Karmel in Echt wurde 1875 von den aus Köln vertriebenen Karmelitinnen gegründet.

[28] Selbstbildnis in Briefen II (ESGA 3), Brief 580 vom 9. Dezember 1938 an Petra Brüning.

[29] Siehe den Bericht über ihre Übersiedlung von Josef Sudbrack, in: Edith Stein Jahrbuch 9 (2003) 524f.

[30] AaO. Brief 586 vom 3. Januar 1939 an Petra Brüning. Ein erstes Karmelitinnenkloster wurde 1630 in der Kupfergasse gegründet; es bestand bis zu allgemeinen Klosterauflösung 1802. In der Schnurgasse wurde 1637 in Köln ein zweites Karmelitinnenkloster gegründet, das ebenfalls bis zu seiner Auflösung im Jahre 1802 dort bestand. 1850 neu gegründet, fiel es 1875 dem Bismarck’schen Kulturkampf zum Opfer. 1897 gelang in der Dürenerstraße die dritte Kölner Gründung, in die Edith Stein eingetreten war. Von der ersten Gründung stand damals und steht heute noch die Kirche mit dem Gnadenbild der Friedenskönigin und die Totengruft der Schwestern. Hier hat Edith Stein einen Besuch gemacht, bevor sie nach Echt übersiedelte, worauf Schw. Teresia Margareta hier anspielt. Nach der Zerstörung ihres Klosters in der Dürenerstraße im November 1944 lebte die Kommunität einige Jahre im Karmel zu Welden bei Augsburg, bis sie 1947 wieder nach Köln zog und sich 1949 definitiv in der Schnurgasse / Ecke Vor den Siebenburgen niederließ, wo in den folgenden Jahren das jetzige Gebäude entstand. Siehe ESGA 19,140-143.

[31] AaO. Brief 593 vom 14.1.1939 an Anni Greven.

[32] AaO. Brief 645 vom 29.10.1939 an Agnella Stadtmüller.

[33] AaO. Brief 614 vom 16.4.1939 an Petra Brüning.

[34] AaO.

[35] Brief 678 vom 17.11.1940 an Johanna van Weersth.

[36] ESGA 18.

[37] AaO.

[38] Wege der Gotteserkenntnis (ESGA 17).

[39] Selbstbildnis in Briefen II (ESGA 3), Brief 107 vom 13.10.1941 an Johanna van Weersth.

[40] ESGA 3, Brief 723 vom 31.12.1941 an Hilde Vérène Borsinger.

[41] AaO. Brief 710 an Antonia Engelmann.

[42] AaO. Brief 573 vom 31.10.1938 an Petra Brüning.

[43] AaO. Brief 731 vom 8.4.1942 an Agnella Stadtmüller.

[44] Kreuzeswissenschaft (ESGA 18) 149.

[45] Aus dem Leben einer jüdischen Familie (ESGA 1) 350. Edith Stein hatte geschrieben: „Seit mir im Sommer 1921 das Leben unserer hl. Mutter Teresia in die Hände gefallen war und meinem langen Suchen nach dem wahren Glauben ein Ende gemacht hatte.“ Sie schreibt nicht „der Suche nach der Wahrheit“.

[46] Kreuzeswissenschaft (ESGA 18) 159f.

[47] Selbstbildnis in Briefen II (ESGA 3), Brief 760 vom 29.7.1942 an Auguste Pérignon.

[48] AaO. Brief 767 vom 5.8.1942 an Antonia Engelmann.

[49] AaO. Brief 768 vom 6.8.1942 an Antonia Engelmann.

[50] Ein letztes Lebenszeichen konnte sie am 7. August 1942 aus dem Zug geben, der außerplanmäßig gegen 13.00 Uhr in Schifferstadt Halt machte. Neben Grüßen an die Schwestern in Speyer hatte sie geschrieben: „Wir sind unterwegs ad Orientem.“

[51] Siehe zu dem hier beschriebenen Ende Edith Steins in Auschwitz die Studie von Rainer Schmidt, Zum Tod der heiligen Edith Stein im KZ Auschwitz-Birkenau, in: Edith Stein Jahrbuch 28 (2022) 42-66.

[52] Aus dem Leben einer jüdischen Familie (ESGA 1) 46.

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