Dr. Lenelotte Möller, Einblick über das biographische Lebensbild der Heiligen

Edith Stein: Stationen eines bewegten Lebens

Am zweiten Fastensonntag referierte Dr. Lenelotte Möller, wissenschaftliche Historikerin, Autorin und Mitglied der Edith- Stein-Gesellschaft in Speyer, anlässlich der Veranstaltungsreihe über die Heilige Edith Stein am Nachmittag in der St. Laurentiuskirche. Eingebunden war ihr Vortrag wieder in eine Andacht mit Pfarrer Dr. Georg Müller. „Wir freuen uns, dass Sie mit Ihrem Vortrag unsere Veranstaltungsreihe bereichern werden“, wandte er sich zu Beginn an die Referentin. Mit „Bewertungen und historische Grundlagen“ war ihr Vortrag überschrieben, in dem sie vor allem das biographische Lebensbild dieser heiligen Philosophin und Karmelitin zeichnete und es in den geschichtlichen und persönlichen Kontext eingebettet hatte.

„Edith Stein wurde am 12. Oktober 1891 in Breslau als jüngstes und siebtes Kind jüdischer Eltern geboren“, begann Dr. Lenelotte Möller ihre Ausführungen. Als Edith Stein zwei Jahre war, starb ihr Vater Siegfried an einem Hitzschlag. Seine Witwe Auguste übernahm das Holz- und Kohlegeschäft und führte es mit großem Erfolg weiter. (Sie starb im Herbst 1936 nach langem Krebsleiden). Bei einem Besuch ihrer älteren Schwester Else 1906, die als Lehrerin in einer Privatschule in Hamburg tätig war, entwickelte sie dort durch viele ungewohnte Erfahrungen und neuen Bekanntschaften ein verändertes Verhältnis zum jüdischen Glauben und entschloss sich, „das Beten ganz bewusst und aus freiem Entschluss aufzugeben“.

Am 28. April 1911 schrieb sie sich an der Universität in Breslau für die Fächer Philosophie, Psychologie, Geschichte, Latein und Germanistik ein, das sie aus dem Erbe ihrer Großmutter Johanna finanzieren konnte. Sie engagierte sich im Preußischen Verein für das Frauenstimmrecht, da sie die Doppelmoral der Kaiserzeit störte, die Männern so viel mehr gestattete als Frauen. Bedeutend wurde für sie die Lektüre der „Logischen Untersuchungen“ über Phänomenologie des Philosophen Edmund Husserl, wegen ihm wechselte sie 1913 nach Göttingen. 1915 legte sie das Staatsexamen in philosophischer Propädeutik (Wissenschaft), Geschichte und Deutsch mit Auszeichnung ab. Sie war während des Ersten Weltkrieges in einer TBC-Abteilung, einer Unfallstation für Kinder und in der chirurgischen Poliklinik, ab 1915 in einem Seuchenlazarett im heutigen Tschechien.

Nach dessen Auflösung arbeitete sie an ihrer bereits begonnenen Dissertation weiter und promovierte 1916 „summa cum laude“ zum „Problem der Einfühlung“. Danach zog sie mit ihrem Doktorvater Husserl als dessen Assistentin an die Universität Freiburg. Da dieser aber ihre Fähigkeiten nicht voranbringen wollte, da er meinte, die Aufgabe der Frau sei das Heim und die Ehe, schied sie 1918 aus seinem Dienst aus. Sie selbst erklärte, in den Studienjahren durchaus offen für eine Beziehung gewesen zu sein, was auch ein Briefaustausch mit ihrem Kollegen Roman Ingarden bestätigte, der mit „Mein Liebling“ überschrieben war. Zuvor hatte es einen Briefwechsel mit Hans Lipps gegeben, dem sie Feldpostpäckchen schickte.

Dem Christentum begegnete Edith Stein zuerst bewusst ausgerechnet im Zusammenhang mit Todesfällen und Beerdigungen. So beschrieb sie in einem Brief den Gegensatz zwischen einer jüdischen Begräbnisfeier, in der vor allem der Lebenslauf des Verstorbenen noch einmal geschildert wurde, und einer katholischen, in der von der Vergangenheit des Verstorbenen so gut wie nichts erwähnte wurde und dagegen die Erwartung des künftigen ewigen Lebens ganz im Mittelpunkt stand. Ein einschneidendes Erlebnis war für sie der Tod ihres Lehrers und akademischen Freundes Adolf Reinach, der 1917 im ersten Weltkrieg gefallen war. Denn sie musste bei der Begegnung mit seiner Witwe Anna feststellen, dass diese Kraft und Trost aus dem Glauben an das Kreuz Christi schöpfte, was Edith Stein im Innersten getroffen hatte. Der letzte entscheidende Schritt war für sie die Autobiographie der Karmelitin und Ordensreformerin Teresa von Avila. Darin wurde weniger der äußere Ablauf ihres Lebens geschildert, sondern vielmehr ihre innere Entwicklung zu einem ganz dem Glauben zugewandten Leben, „das Gott in mir lebte“, was Edith Stein mit dem Satz bewertete „Das ist die Wahrheit“.

Daraufhin ließ sie sich taufen, ging zur Heiligen Kommunion und empfing das Sakrament der Firmung. 1923 vermittelte ihr Generalvikar Josef Schwind eine Stelle als Lehrerin am Lyzeum und am Lehrerinnenseminar der Dominikanerinnen im Kloster St. Magdalena in Speyer. Dort unterrichtete sie Deutsch und Geschichte. Ihre weitreichende Vortragstätigkeit begann 1926 bei einem Fortbildungstag der katholischen Pfälzer Lehrerinnen und Lehrer in Speyer. Ihren Abschied von der Domstadt nahm sie im März 1931. In Münster/Westfalen erhielt sie eine Dozentur am katholischen Deutschen Institut für wissenschaftliche Pädagogik. Im Februar 1933 hielt sie ihre letzte Vorlesung, da Personen jüdischer Abstammung laut eines Gesetzes aus dem öffentlichen Dienst entlassen werden sollten.

Für Edith Stein war nun der Zeitpunkt für den Eintritt in ein Kloster gekommen. Bei einem letzten Gespräch mit ihrer Mutter in Erörterung des Gottesdienstes in der Synagoge und über Jesus von Nazareth hatte ihre Mutter gefragt: Warum hat sich der Mensch zu Gott gemacht? Damit war genau der Punkt angesprochen, an dem sich christliche und jüdische Religion scheiden. Denn nach Edith Steins Glauben war Jesus Christus eben nicht der Mensch, der sich zu Gott gemacht hat, sondern der Gott, der Mensch geworden war. Am 15. Oktober 1933 trat sie in den Kölner Karmel als Postulantin ein, am 15. April 1934 fand die Einkleidung statt, am 21. April 1935 folgte die Heilige Profess und am 21. April 1938 die Ewige Profess. Um ihre Mitschwestern wegen ihrer jüdischen Abstammung vor nationalsozialistischen Angriffen zu schützen, ging sie am 31. Dezember in das niederländische Kloster Echt.

Doch auch hier war sie in Gefahr. Bevor sie in ein Schweizer Kloster flüchten konnte, wurde sie mit mehreren Gefangenen am 2. August 1942 von Gestapo-Offizieren abgeholt, nach Roermond gebracht, dann nach Amersfoort und in das Durchgangslager Westerbork. Am 7. August verließ ein Transportzug das Lager, fuhr gegen 13 Uhr im Hauptbahnhof Schifferstadt ein und hielt kurz auf Gleis 3. Dies war bekanntlich ihr letztes Lebenszeichen. Obgleich Schifferstadt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch nicht einmal Stadt war, befand sich schon damals hier ein für die Bahn wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Dieser lag eigentlich nicht an der Route, welche die Deportationszüge nahmen. Dennoch ist das letzte Lebenszeichen von ihr ausgerechnet von dort überliefert.

1962 eröffnete Erzbischof Joseph Kardinal Frings von Köln den Prozess zu ihrer Seligsprechung. 1986 proklamierte Papst Johannes Paul II. sie zur Märtyrerin, am 19. Mai 1987 sprach er sie im Müngersdorfer Stadion in Köln selig, am 11. Oktober 1998 in Rom heilig und erklärt: „Wenn wir fortan Jahr für Jahr das Gedächtnis der neuen Heiligen feiern, müssen wir uns auch an die Shoah (Holocaust) erinnern, an den grausamen Plan, ein Volk zu vernichten, einen Plan, dem Millionen jüdischer Schwestern und Brüder zum Opfer fielen.“ Und Dr. Aachen, schrieb: „Edith Stein verstand ihr Leben und Sterben als Kreuzesnachfolge Christi. Sie nahm ihr Leiden und ihren Tod an als Hingabe in der Nachfolge des kreuztragenden Herrn.“ Edith Stein ist die erste Katholikin jüdischer Abstammung.

Ähnliche Beiträge

Antworten