Ein geschichtsträchtiger Augenblick vor 80 Jahren…. Gedenkfeier am Hauptbahnhof für Edith Stein und alle weiteren Opfer

Schifferstadt (ise).
„In den letzten Jahren hat unsere Gedenkfeier für Edith Stein immer größere Kreise gezogen, wofür wir sehr dankbar sind“, meinte Reverend Dr. Joachim Feldes von der Anglikanischen Gemeinde Rhein-Neckar am vergangenen Sonntagmittag zu deren Beginn am Hauptbahnhof. Auch der südwestdeutsche Rundfunk hatte an diesem Tag kurz vor 9 Uhr einen dreiminütigen Beitrag darüber gebracht, deren letztes Lebenszeichen vor 80 Jahren, am August 1942 gegen 13 Uhr auf Gleis 3 aus dem Transportzug kam, in dem sie sich mit weiteren 986 Gefangenen auf dem Weg zum Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau befand.
Mitgestaltet wurde die Gedenkfeier mit bewegenden und eindringlichen Texten und Gebeten von Pfarrer Albrecht Effler, Christian Matthes und Josef Funk von der Pfarrei Heilige Edith Stein. Gleichzeitig war diese Feier eingebunden in eine große Gebetskette durch verschiedene Edith-Stein-Gesellschaften in ganz Europa, die gemeinsam den Frieden in der Welt erbitten.
In seiner Ansprache hob er die Wichtigkeit von Bahnstrecken hervor, die zu anderen Orten, Städten und Menschen führt und verbindet. Es sei wie eine Brücke, die es brauche, damit Kommunikation entstehe und ein gutes Zusammenleben gelinge. „Umso schlimmer ist es, wenn – wie wir es gerade wieder in der
Ukraine und anderswo erleben – in Kriegen Bahnstrecken bombardiert, Brücken zum Einsturz gebracht werden. Denn der Krieg zerbricht nicht nur ein Bauwerk sondern auch eine Verbindung“, so der Reverend.
Hier in der Oberrheinebene sei man sich bewusst, wie notwendig, hilfreich und für alle Seiten gewinnbringend solche Verbindungen seien. Auch Edith Stein habe auf der Brücke, die über den Rhein nach Speyer führt, gestanden, auf der sie von weitem die Domtürme und das kleine spitze Türmchen ihrer
Klosterkirche sah und sich mit so mancher Frage auseinandergesetzt. Denn sie sei sehr wach für politische
Stimmungen und nah bei den Menschen gewesen, hatte aber auch ihre eigenen Erfahrungen, wie durch den ersten Weltkrieg.
Sie habe sich damit beschäftigt, wie es denn zu dieser Kriegshysterie und, wie sie selber es nennt, „Kriegspsychose“ hatte kommen können und diagnostizierte im Menschen eine Art „Reizbarkeit“ und „Anfälligkeit“ für eine psychische Ansteckung. Und weil dies so sei, gäbe es auch die Gefahr der „Massen-Ansteckung“, wenn viele Menschen zusammen kämen, so dass der Mensch am Ende geistig unbeweglich sei und seinen kritischen Verstand ausschalte.
„Stimmungen sind schnell geschürt, Meinungen beeinflusst, wenn es um Macht, politischen und wirtschaftlichen Einfluss und Geld geht“, fasste er zusammen. Umso wachsamer müsse man sein, damit man sich nicht anstecken und infizieren lasse sondern eine klaren Kopf und einen kritischen Verstand behalte, klar und aufrecht sei und die Wahrheit einfordere, gerade wenn zu viele dem Strom folgen und
sich mitreißen ließen. „In diesen Monaten hat ein weltweiter Prozess begonnen, mit dem Menschen in vielen Ländern dazu beitragen wollen, dass Edith Stein zur Kirchenlehrerin erhoben wird“, merkte er an. Denn sie habe vieles zu sagen, auch 80 Jahre nach den Begegnungen am Hauptbahnhof. Nicht zuletzt lehre sie, wie aufrechte Christinnen und Christen sein können, aber auch, wie für eine gerechte und friedliche Welt wirksam beigetragen werden könne, unabhängig von der Konfession, „eine Welt, in der wir miteinander verbunden bleiben und gemeinsam überleben können“, meinte er abschließend.
Christian Matthes erinnerte an den Augenzeugen Valentin Fouquet, der als Bahnhofsvorsteher an diesem Tag an der Bahnsteigkante stand und die Einfahrt des bewussten Zuges beobachtete. Eine dunkel gekleidete Damen habe ihn gefragt, ober er von Schifferstadt sei und die Familie Schwind in der Ludwigstraße kennen würde.
Zufällig war Valentin Fouquet ein Schulkamerad des Pfarrers Konrad Schwind. Edith Stein bat ihn daraufhin, der Familie Grüße auszurichten aber auch an Prälat Lauer und an die Ordensschwestern von St. Magdalena in Speyer. „Diese Geschichte spricht für sich. Wie Edith Stein sind Millionen von Menschen gestorben. Deshalb dürfen wir nicht zulassen, dass sich dieses Grauen wiederholt und nicht wegsehen, wenn Menschen leiden und Hilfe brauchen.
Deswegen stehen wir hier und halten die Erinnerung wach an diesen Augenblick vor 80 Jahren“, Nach der Gedenkandacht war Gelegenheit zum stillen Gebet auf Gleis 3 und an alle Opfer zu denken, die das gleiche Schicksal wie Edith Stein teilen mussten.

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