Auschwitz / Oświęcim

Auschwitz / Oświęcim

Der Zug, der am 7. August 1942 in Westerbork abfuhr, kam am 8.8. im Konzentrationslager Auschwitz an. Hier gibt es keine spezifischen Informationen über Edith Stein oder ihre Schwester Rosa mehr. Von diesem Transport sind 315 Männer und 149 Frauen selektiert worden, um als Häftlinge im Lager Sklavenarbeit zu leisten. Sie wurden registriert und bekamen die Nummern 57405-57719 bzw. 15812-15960. Edith und Rosa Stein waren nicht dabei. Sie wurden mit den übrigen 521 Gefangenen zu den Gaskammern gebracht. Damals, im Sommer 1942, waren das zwei umgebaute Bauernhäuser, ein weiß getünchtes, das sog. „Weiße Haus“ oder Bunker II, und ein nicht getünchtes sog. „Rotes Haus“, Bunker I. (Die großen Menschenmassenvernichtungsfabriken wurden erst 1943 fertig.) Wahrscheinlich am 9. August 1942 wurden sie vergast und dann ihre Leichen in großen Gruben verbrannt.

Mehr... Text von W. Krusenotto

Am 27.4. 1940 gibt Himmler den Befehl zur Errichtung des KL 1 Auschwitz. Dazu trifft Rudolf Höss als Kommandant am 30.4.1940 zum Aufbau des Lagers ein. 300 polnische Juden bauen das Lager auf den verlassenen Vorkriegskasernen der Polen auf. Am 14.6.1940 kommen die ersten 728 Häftlinge im KL 1 Auschwitz an. 1941 wird der Aufbau des Lagers vor­angetrieben.

Am 14.8.1941 wird im Hungerbunker von KL 1 der Franziskanerpater Maximilian Kolbe nach 14 Tagen im Todesblock durch eine Phenolspritze ermordet. Er hatte sein Leben für einen Familienvater, der als Vergeltungsmaßnahme für einen angeblich Geflohenen (er wurde später tot aufgefunden) mit einigen anderen ermordet werden soll­te, stellvertretend hingegeben. Er war einer der 2000 polni­schen Priester, die unter dem NS-Regime den Tod fanden. Am 10. Oktober 1982 wurde er in Rom heiliggesprochen.

Vom 1.10.1941 an wurde das Lager Auschwitz für eine Auf­nahmekapazität von 200000 Häftlingen erhöht. Dazu wurde ein zweites Lager KL II Auschwitz-Birkenau (3 km von KL 1) errichtet. Himmler hat am 11.11.1941 seinem Arzt Felix Kersten anvertraut, daß Hitler ihm den Befehl gegeben habe, alle Juden umzubringen. So wurde Anfang Januar 1942 das Vernichtungslager Birkenau eröffnet. In Berlin fand am 20.1.1942 die „Wannseekonferenz“ statt. Unter Leitung von Hey­drich wurde die „Endlösung der Judenfrage“ beschlossen, die Evakuierung aller Juden in den Osten: „Europa wird von Westen nach Osten durchgekämmt“.

So begannen die De­portationen in den Niederlanden. Am 26.7.1942 wurde in al­len katholischen Kirchen der Niederlande das Hirtenwort der Bischöfe gegen die Deportationen der Juden verlesen; in Echt verlas Pfarrer Terstappen den Text. Daraufhin wurden am Sonntag danach alle getauften Juden verhaftet und nach Westerbork gebracht. Von dort begann am 7. August 1942 der Abtrans­port von Edith und Rosa Stein und ihrer Gefährten (insgesamt 987, darunter etwa 120 Getaufte) nach Auschwitz-Birkenau KL II, wo die Deportierten am 9. August ankamen.

Sie wurden sofort zum „Roten“ und „Weißen“ Haus gebracht, zwei alte Bauernhäuser, die für die totale Ent­kleidung (Rotes Haus) und zur „Desinfektion“ (Weißes Haus) hergerichtet waren. Nach der Entkleidung im Roten Haus wurden sie ins Weiße Haus getrieben, wo eine Desinfektion stattfinden sollte. Nach dem Schließen der Türe, so berich­ten Augenzeugen, brachte die SS in Sanitätskrankenwagen (Wagen mit dem Roten-Kreuz-Kennzeichen) das Zyklon B und ließen es durch eine Luke in das Haus fallen. Nach dem Er­stickungstod wurde die Tür geöffnet; dabei fielen die Toten heraus, da sie dicht gedrängt einer auf dem anderen lagen. „Auf Karren“, so berichten die Augenzeugen vom 12. Dezember 1942, „brachten wir die Leichen, Männer, Frauen, Alte und Junge, Kinder und Greise, in die vier großen Gruben (20 m lang, 7 m breit, 3 m tief) und gossen Benzin darüber. So wur­den die Leichen verbrannt. 48 Stunden danach holten wir die Asche aus den Gruben. Dann kamen Lastkraftwagen, auf die die Asche geschaufelt wurde und brachte diese zum nahen Fluß Sola. Mit der Strömung wurde die Asche weggetrieben“. Greif, Gideon (Hrsg.), Wir weinten tränenlos … – Augenzeugenberichte der jüdischen ‚Sonderkommandos‘ in Auschwitz, Köln u. a. 1995, 63-65.

Der Weg zu dieser Vernichtungsstätte geht vom Eingang (To­destor) des KL II an der Bahnrampe vorbei zum „Internatio­nalen Denkmal für die Opfer des Faschismus“. Als Edith Stein nach Auschwitz kam, standen die großen Krematorien noch nicht; sie wurden erst 1943 gebaut. Von dem Interna­tionalen Denkmal geht der Weg rechts vorbei durch einen Birkenwald (etwa 1 km) nach Brzezinka, wo die Funda­menten-Reste des Weißen Hauses zu sehen sind. Ein „Denk­mal an Edith Stein“ ist dort aufgestellt: „Hier ist die Todestätte von Edyty Stein und ihren Gefährten“.

Was hat sich da 1942 abgespielt? An dieser Stätte sollte man nach einer längeren Stille aus dem Propheten Ezechiel 37, 1-14 lesen: Der Prophet sieht die Gebeine der Getöteten, der Geist Gottes erweckt sie wieder zum Leben.

    Weg durch das Todestor, vorbei an der Eisenbahnrampe bis zum Internationalen Denkmal.
     Am Denkmal vorbei den Weg durch den Birkenwald (1 km) bis zum „Weißen Haus“ (Grundmauern)
     mit einem Gedenkstein an „Edyta Stein“, die hier ihren Tod fand. Die Asche der Verbrann­ten
     wurde in die nahe vorbeifließende Sola gekippt.
 

Und auch Worte ihrer Taufpatin Hedwig Conrad-Martius, die sie später niederschrieb: „Wir wissen nicht, was Edith Stein angesichts des Vergasungstodes empfunden hat; ob sie sich in der vollkommenen Dunkelheit bloßen Glaubens befand, oder ob sie in einer Liebesvereinigung mit Gott stand. Aber in jedem Fall ist es ein Trost zu wissen, daß es nur noch das ‚Zerreißen eines dünnen zarten Schleiers‘ war, der sie vom ewigen Leben trennte.“[1]

Schon 1936 schrieb Edith Stein in Köln: „Was nicht in meinem Plan lag, das hat in Gottes Plan gelegen. Und je öfter mir so etwas begegnet, desto lebendiger wird in mir die Glaubensüberzeugung, daß es – von Gott her gesehen – kei­nen Zufall gibt, daß mein ganzes Leben bis in alle Einzel­heiten im Plan der göttlichen Vorsehung vorgezeichnet und vor Gottes allsehendem Auge ein vollendeter Sinnzusam­menhang ist. Dann beginne ich mich auf das Licht der Glo­rie zu freuen, in dem auch mir der Sinnzusammenhang entschleiert werden soll. Das gilt aber nicht nur für das ein­zelne Menschenleben, sondern auch für das Leben der ganzen Menschheit und darüber hinaus für die Gesamtheit alles Seienden.“ (ESGA 11/12, 107)

Bei seinem Besuch in Deutschland sagte der damalige Erz­bischof von Krakau, der spätere Papst Johannes Paul II, in dessen Diözese Auschwitz liegt, am 24. September 1978 im Liebfrauendom zu München: „Wenn die Kirche einmal Schwester Benedicta vom Kreuz der Ehre der Altäre erheben wird […]‚ so werden sie beide, Maximilian Kolbe und Edith Stein, uns, allen Polen und Deutschen, zurufen von demsel­ben Ort des Märtyrertodes, den sie erlitten haben, ohne von­einander zu wissen: ‚vor allem aber lebt […] so, wie es dem Evangelium entspricht.‘ (Phil 1, 27)“.[2]

Msgr. Wolfram Krusenotto

[1] Vortrag von Hedwig Conrad-Martius am 29.3.1958 „Edith Stein als Glaubenszeugin“, ein Rundfunkvortrag in der Reihe „Zeugen des Glaubens“ im Bayrischen Rundfunk, gedruckt unter dem Titel „Edith Stein – Kreuzweg der Liebe“, in: Der christliche Sonntag X/38 21.9.1958, S. 293f., hier 294.

[2] Wojtyla, Karol, „Unser gemeinsamer Weg. Predigt im Dom von München, 24. September 1978“, in: Begegnung der Konferenz des polnischen Episkopats mit der deutschen Bischofskonferenz in Deutschland im September 1978. Dokumentation der Predigten und Ansprachen, hg. v. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn 1978, 50-52, hier 51.

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Zur Bedeutung von Auschwitz

(Dr. Manfred Deselaers)

Als Papst Johannes Paul II. Edith Stein 1999 zur Mitpatronin Europas erklärte, schrieb er: „Ihr Schrei verschmilzt mit dem aller Opfer jener schrecklichen Tragödie [der Juden im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau]. Vorher hat er sich jedoch mit dem Schrei Christi vereint …“.

Europa ist Europa „nach Auschwitz“. Wenn wir nach Orientierung für die Rolle des Christentums in Europa suchen, dürfen wir Auschwitz nicht vergessen. Das Vernichtungslager Auschwitz war unaussprechlich entsetzlich, und so etwas soll nie wieder passieren. Auschwitz war möglich, also ist es möglich und bleibt es möglich. Das beschreibt unsere Verantwortung. Wohl auch deshalb ist Edith Stein, die heilige Schwester Teresa Benedicta vom Kreuz, Mitpatronin Europas geworden.

Ihr Leben lang wollte Edith Stein verstehen, was der Mensch ist. Man kann den Menschen nicht verstehen ohne seine Beziehung zu anderen Menschen noch ohne seine Beziehung zu Gott. In der Zeit des zunehmenden nationalsozialistischen Nationalismus und Rassismus, in der sie lebte, wurden das Themen von Leben und Tod. Schließlich ist sie selbst Opfer dieser verrückten Ideologie geworden.

Ihr Tod in Auschwitz wegen ihrer jüdischen Abstammung war kein Zufall. Edith Stein hatte sehr früh gespürt, in welche Richtung sich Deutschland entwickelte, und das hat ihr Denken und ihre Spiritualität im Innersten geprägt. Ihr Leben war eine Antwort auf die unheilvollen Entwicklungen. Das ist erkennbar in ihren philosophischen Arbeiten, ihren Vorlesungen, ihren stundenlangen stillen Gebeten, ihrem Brief an den Papst und vielen anderen Äußerungen.

In der zerbrechenden und vernichtenden Welt hatte Edith Stein einen unerschütterlichen Halt gefunden durch ihre Verwurzelung in der Liebe, die vom Gekreuzigten ausgeht. Wenn wir heute nach Fundamenten für Europa und nach einer christlichen Orientierung für unsere Zeit suchen, lohnt es sich sehr, bei Edith Stein nachzufragen und genau hinzuhören, was sie uns zu sagen hat.

Manfred Deselaers (Vizepräsident der Krakauer Stiftung Centrum Dialogu i Modlitwy / Zentrum für Dialog und Gebet in Oświęcim/Auschwitz)

Mehr ...Edith Stein – Die Botschaft vom Kreuz und Auschwitz

Dr. Manfred Deselaers

 Edith Stein.

Die Botschaft vom Kreuz und Auschwitz

Inhalt

  1. Die christliche Botschaft vom Kreuz im Hinblick auf Auschwitz
  2. Aussensicht: Die gesellschaftliche Funktion des Kreuzes als Symbol
  3. Kreuz und Hakenkreuz.
  4. Das Kreuz in jüdischer Sicht 3
  5. Die Christen in Deutschland, Auschwitz und das Kreuz. 5
  6. Kreuz als polnisches nationales Symbol 7
  7. Innensicht: Die theologische Botschaft des Kreuzes. 10
  8. Verzicht auf die christliche Botschaft vom Kreuz im Hinblick auf Auschwitz?. 10
  9. Christliche Grundbedeutungen des Kreuzes im Hinblick auf Auschwitz. 11
  10. Erneuerung projüdisch. 12
  11. Reinigung. 13
  12. Dialog. 15
  13. Edith Stein – von Auschwitz aus gesehen. 17

A Von Auschwitz aus gesehen. 17

  1. Die Spannungen der Gegenwart 17
  2. Der Schrecken der Geschichte. 19

B Edith Stein und Auschwitz. 21

  1. Edith Stein – wusste sie, was auf sie zukam?. 21
  2. Was bedeutete ihr der Glaube in diesem Zusammenhang?. 23
  3. Die dunkle Nacht 25
  4. Wie sah sie ihr Verhältnis zum jüdischen Volk?. 28

Schluß. 33

 

I. Die christliche Botschaft vom Kreuz im Hinblick auf Auschwitz[1]

 

„Sie [Edith Stein] machte sich insbesondere das Leiden des jüdischen Volkes zu eigen […]. Ihr Schrei verschmilzt mit dem aller Opfer jener schrecklichen Tragödie. Vorher hat er sich jedoch mit dem Schrei Christi vereint […]. Dieses Bild bleibt als Verkündigung des Evangeliums vom Kreuz, in das sie mit dem von ihr als Ordensfrau gewählten Namen [Teresia, vom Kreuz gesegnet] hineingenommen sein wollte.“

 Papst Johannes Paul II in seiner Begründung der Ernennung von Edith Stein zur Patronin Europas.

Edith Stein – Botschaft vom Kreuz – Shoah, Tragödie des jüdischen Volkes – Europa: das gehört untrennbar zusammen. Aber wie?

Bevor davon die Rede sein soll, wie Edith Stein selbst ihre Liebe zu ihrem Volk, ihr Bewusstsein der Tragödie und ihren Glauben an die christliche Botschaft vom Kreuz miteinander verband (II), soll es um den weiteren Kontext gehen, in dem die christliche Botschaft vom Kreuz im Zusammenhang mit der Erinnerung an „Auschwitz“ ihren Platz findet (I). Zunächst folgen deshalb Bemerkungen zur gesellschaftlichen Funktion des Symboles Kreuz (Außensicht), dann zur Theologie des Kreuzes (Innensicht) im Hinblick auf Auschwitz.

A. Außensicht: Die gesellschaftliche Funktion des Kreuzes als Symbol

In den 1980-er Jahren, als in Polen der Kommunismus schwach wurde und die Katholische Kirche durch den polnischen Papst Johannes Paul II erstarkte, wurde am Rande der Gedenkstätte Auschwitz-Stammlager in einem ehemaligen Lagerhaus ein Karmelitinnenkloster eingerichtet, was in früheren kommunistischen Zeiten nicht möglich gewesen war. Dieser Schritt hatte nun aber jüdische Proteste zur Folge und starke christlich-jüdische Spannungen. Ein schwieriger Dialogprozess führte schließlich zu einer Verlegung des Klosters und der Errichtung des katholischen Zentrums für Dialog und Gebet in Oświęcim. Im Folgenden möchte ich versuchen, theologische und historische Hintergründe zu erklären.

 1. Kreuz und Hakenkreuz

Auschwitz ist nicht im Zeichen des Kreuzes, sondern des Hakenkreuzes erbaut worden. Das Hakenkreuz, Symbol des Nationalsozialismus, war ganz bewusst ein Gegen­sym­bol zum Kreuz, zum Symbol des Christentums.

Das Symbol der Sonne (Wagenrad) als Zeichen der vitalen Lebenskraft sollte dem Symbol des Todes, der Schwäche und des liebenden Er­barmens ent­gegen­gestellt werden. Die deutsche Kultur sollte zu der vor dem Chri­stentum (und dem darin enthaltenen jüdischen Einfluss) liegenden natur- und vitali­tätsbezogenen germanischen Gesinnung zurückfinden. Das Hakenkreuz war „das Symbol der deutschen Wiedergeburt“[2]. Deshalb gab es eine Christenverfolgung, die zum Wesen des Nationalsozialismus gehört. Menschen wurden wegen ihres Glaubens ­ver­folgt oder ermor­det. Das ist besonders deutlich in Polen, wo politische Rücksichten nicht mehr zu nehmen waren (ca. 100 polnische kath. Priester wurden in Auschwitz, 1000 in Dachau, 3000 insgesamt ermordet). Auch in Deutschland galt das im Grundsatz, selbst wenn zunächst aus taktischen Gründen verschleiert.[3]

Aus dieser Perspektive erscheint es wichtig, „nach Auschwitz“ gegen die Ideologie des National­so­zial­ismus den Glauben des Christentums und seine Weltsicht zu betonen und gegen das Hakenkreuz das christliche Kreuz wieder in sein Recht einzusetzen.

2. Das Kreuz in jüdischer Sicht[4]

Es versteht sich von selbst, dass sich Juden auf dem größten jüdischen „Friedhof“ der Welt, der die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau ist, durch christliche religiöse Symbole nicht geehrt fühlen. Dabei geht es aber nicht nur um die Fremdheit eines Symbols einer anderen Religion. Vielmehr wird das Kreuz von vielen als ausdrücklich gegen das jüdische Selbstverständnis gerichtet empfunden. Das betrifft sowohl die religiöse Sichtweise im engeren Sinne als auch die gesellschaftlich-historische Bedeutung des Kreuzsymbols.

Das Kreuz ist religiös ein Zeichen der Verehrung Jesu als Gott, was Juden um der Rein­heit des Ein-Gott-Glaubens willens ausdrücklich verboten ist. Gott ist einer, absolut transzendent und nie mit einem Menschen gleichzusetzen. Er lässt sich auch nicht mit einem Schandpfahl verehren. Selbst wenn heute in der Regel davon ausgegangen wird, dass das Christentum nicht Götzendienst im alttestamentlichen Sinne ist, ist das religiöse Symbol eines falschen Glaubens auf jüdischen Gräbern unakzeptabel und wirkt wie eine Beleidi­gung.

Doch neben dieser religiösen Dimension geht es um mehr: Wenn Juden danach fragen, wie es zu Auschwitz hat kommen können, fragen sie über die Ideologie des Nationalsozialismus hinaus danach, warum in dieser Ideologie die Juden die Rolle des Ursprungs allen Bösen haben (was keine biologische Ras­sen­theorie erklären kann) und warum der Antisemitismus der Nazis in Europa auf so wenig Widerstand stieß. Der jüdische Antwortversuch sieht, was die Beziehung zum Christentum betrifft, etwa folgendermaßen aus:

Juden definierten sich u.a. dadurch, dass sie „Nein“ zum Christentum sagten. In einer europäischen Kultur, die christlich sein wollte, entschied sich an der Einstellung zum Kreuz das Dazugehören. Ein „guter Europäer“ war ein „christlicher Europä­er“.[5] Juden blieben dieser Kultur fremd und wurden – als Juden – abgelehnt, selbst wenn sie als Men­schen angenommen waren. Im Christentum blieb die Hoffnung auf Bekehrung. Im unreligiösen Rassismus wurde die Ablehnung der religiösen Einstellung zur endgültigen Ablehnung des ganzen Menschen.

Es ging aber auch im Christentum um mehr als nur um den Ausschluss aus einer gesellschaftli­chen Gemeinschaft. Wohnt nicht im Kern des Chri­sten­tums selbst eine antijüdische Ener­gie? Den Juden wurde nicht nur vorgeworfen, dass sie im Christentum nicht mit­machen wollen, sondern dass sie Christus ermordet hätten. Gott hat seinen Sohn zu seinem auserwählten Volk geschickt – und es hat ihn abgelehnt und den Römern zur Hinrichtung übergeben. Gottesmord – das ist der schlimm­ste aller möglichen Vorwürfe. Das ist das Böse, das Werk des Teufels an sich. Symbol des Gottes­mordes ist das Kreuz. Kommt nicht daher, so fragen Juden, bei religiösen Christen die tiefsitzende Ab­scheu, die schnell in Hass kippt, gegen den, der an­scheinend das Allerheiligste ver­nichten will? Keine Strafe scheint zu groß, um dieses Verbrechen zu büßen. Ist das nicht die tiefste (unbewusste) Quelle für den Hass der Nazis? Ist das nicht der tiefste Grund für die so geringe christliche Hilfe für Juden in der Zeit der Vernich­tung?

Angesichts dieser Geschichte des Judenhasses sei es in Auschwitz die Rolle der Christen zu schwei­gen, sich zurückzunehmen, Gewissenserforschung zu halten, Schuld zu bekennen, umzukehren und endlich einmal die Juden als Juden ernst zu nehmen und in Ruhe zu lassen. Deshalb soll auf dem Realsymbol der Vernichtung des europäischen Judentums kein christliches Siegeszeichen stehen. Wenn Maximilian Kolbe und Edith Stein die Opfer repräsentieren und die christliche Erinnerung an Auschwitz bestimmen, wenn Auschwitz so ein christlicher Wallfahrtsort, ein Symbol des Sieges des Christentums über den Unglauben wird, verschwinden schon wieder die Juden – sogar aus der christlichen Erinnerung an Auschwitz. Das sei wie eine Verlängerung des Holocaust.[6]

3. Die Christen in Deutschland, Auschwitz und das Kreuz

Je mehr nach dem Zweiten Weltkrieg im Laufe der Zeit das Verhältnis der Deutschen zu den Juden ins Zentrum der Reflexionen und Begegnungen „nach Auschwitz“ kam, desto stärker wurden Christen im Dritten Reich als Täter und nicht mehr als Opfer wahrgenommen.

Der religiöse Umgang mit Auschwitz ist heute auf deutscher Seite tief geprägt vom Bewusstsein einer Schuldgeschichte, die zu Erschütterung von Selbstverständlichkeiten führt, zu Gewissenserforschung und Infragestellung. In Deutschland beginnt christliche „Theologie nach Auschwitz“ fast immer mit der Feststellung, dass die Christen sich auf der Täterseite befinden. Auschwitz funktioniert als Signal zur Um­kehr. Johann Baptist Metz schreibt im neuen Lexikon für Theologie und Kirche unter dem Stichwort Auschwitz: „Auschwitz wird zur inneren Situation der chr.[ristlichen] Gottesrede. Hinter Auschwitz kommt sie nicht mehr zurück; über Auschwitz hinaus kommt sie, wenn überhaupt, nur gemeinsam mit den Opfern von Auschwitz, d.h., wenn in ihr selbst die Opfer unvergessen sind“, und damit meint er insbesondere die Juden.[7]

Das führt zunächst positiv zu einer Wiederentdeckung von „Jesus, dem Juden“ und einer erneuerten Bezie­hung zum lebendigen Juden­tum.

Das Hören auf die jüdischen Opferstimmen führt dann aber auch zu einer radikalen Zurücknahme des eigenen Glaubensbekenntnisses in Bezug auf Auschwitz. Der Gesprächskreis „Juden und Christen“ beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken veröffentlichte 1990 eine Erklärung zum Thema „Kloster und Kreuz in Auschwitz?“, in der es heißt: „Gerade im deutschen Sprachraum wurde Auschwitz auch zum Inbegriff für die Katastrophe der christlich-jüdischen Geschichte und zum Mahnwort für eine christliche Umkehr. […] Für die Juden unter uns ist Auschwitz Ort und Name für die Schoah überhaupt, für die Manifestation des Bösen schlechthin, für das unbegreifliche Schweigen Gottes als auch der Menschen. Es ist kein Ort für nachträgliche Symbole oder schnelle Deutungsversuche. Denn im Auschwitz von heute ist die Wirklichkeit von damals gegenwärtig. Auschwitz ist ein Real-Symbol. […] Unter dieser Rücksicht kann der Verzicht auf ein Symbol eine positive Zeichenfunktion gewinnen. Es gibt Dimensionen und Abgründe des Leidens – auch des Leidens an Gott -, angesichts derer verstummendes Schweigen der gemäße Ausdruck ist. […] Auch wir Christen können das leere Auschwitz als Symbol begreifen. Die Leere dieses Ortes kann zur beredten Mahnung an die Verlassenheit, die Ungetröstetheit und den Schrecken der vielen werden, die dort leben und sterben mussten. […] Ein heute gesetztes Kreuz könnte christliche Präsenz in einem Maße beschwören, in dem sie damals nicht da war. […] Zudem würde die Tatsache verstellt, dass es Getaufte waren, die zu Täterinnen und Tätern wurden.“[8] In diesen Sätzen ist schon zu spüren, dass es um mehr geht als nur um eine Rücksicht auf die Empfindungen nichtchristlicher Opfer.

Im Vorwort zu einem Sammelband über Theologie nach Auschwitz „Als Gott weinte“ (1997) heißt es: „Allen Beiträgen […] ist jedoch die Einsicht gemeinsam, dass es gerade die Sache christlicher Theologie sein muss, in Auschwitz ein Signal für die Umkehr des Redens von und über Gott zu sehen. [… Es besteht] das tiefsitzende Bedürfnis, nach dem Verbleib Gottes in und nach den Tagen des Unsäglichen und Unaussagbaren zu suchen und auf glaubwürdige, verantwortungs­bereite Weise die Gottesfrage neu zu formulieren.“[9] Es stellt sich von daher die Frage, wie wir noch sagen können, dass auch im Hinblick auf Auschwitz Christus am Kreuz die Welt erlöst hat. Ist solch eine Aussage nicht eine unangemessene Christianisierung des jüdischen Dramas und eine Flucht davor, sich dem Unfassbaren – und damit dem wirklichen Leid der Opfer und der wirklichen Verantwortung der Täter – zu stellen? Jedenfalls scheint eine allumfassende christliche Theorie, die unberührt ist von dem konkreten Schicksal der jüdischen Opfer, nicht mehr erlaubt.

So sehe ich heute die innere Situation der Christen in Deutschland im Hinblick auf Auschwitz: eine fundamentale Erschütterung im Zentrum der eigenen Identität. In der Begegnung mit Juden muss Schuld bekannt werden und der eigene christliche Glaube Worte finden, die den Respekt vor dem Leid der Anderen mit zum Ausdruck bringen. Und solange diese nicht gefunden sind, ist aus Respekt zu schweigen.

Johann Baptist Metz hat versucht eine Theologie zu formulieren, die im konkreten Leidensgedenken „nach Auschwitz“ (memoria passionis) verwurzelt ist, sich in Verbundenheit mit der Heilsgeschichte des jüdischen Volkes versteht und in der Nachfolge Jesu durch Solidarität mit den Opfern unserer Zeit (compassio) den Glauben bezeugt.[10]

Für manche ist Edith Stein eine Hilfe, weil sie uns Christen an das jüdische Volk und an die Tragödie von Auschwitz heranführt. Doch auch dieser christliche Weg steht unter Verdacht: ist das nicht eine weitere subtile Weise der Christianisierung des Gedächtnisses an Auschwitz? Wir nehmen diese Anfrage ernst, weiter unten gehen wir ausführlich darauf ein.

Auch wenn ab und zu darauf hingewiesen wird, dass ein christliches Glaubensbekenntnis „nach Auschwitz“ im Grunde nur formuliert werden kann im Hören auf christliche Zeugnisse der Opfer von Auschwitz, wird dies doch nirgendwo ausführlich reflektiert[11]. Bisher bezieht sich das „Hören auf die Stimmen der Opfer“, das in dieser Einstellung grundlegend ist, fast ausschließlich auf jüdische Stimmen. Stimmen christlicher polnischer Opfer von Auschwitz sind fast völlig unbekannt (von Maximilian Kolbe abgesehen, der wiederum unter dem Verdacht des Antisemitismus steht).

4. Kreuz als polnisches nationales Symbol

Für Polen ist es nicht möglich, in Bezug auf Auschwitz auf das Kreuz und seine Botschaft zu verzichten. Der Ausgangspunkt des polnischen christlichen Umgangs mit Auschwitz ist die Erfahrung von Christen auf der Opferseite, die die Verfolgung eines neuheidnischen antichristlichen Terrorsystems erlebt haben.

Dazu zunächst eine kleine praktische, aber wichtige Vorbemerkung: Wovon reden wir, wenn wir „Auschwitz“ sagen? Auschwitz war eine Stadt im Deutschen Reich, die es 1939 bis 1945 gab. Vorher und nachher hieß diese Stadt Oświęcim und lag bis 1918 in Österreich (Gallizien) und dann und auch heute wieder in Polen. Die Stadt hat heute 50.000 Einwohner, fast alles Christen, in 7 Kirchengemeinden. In dieser Stadt liegt das ehemalige sogenannte „Stammlager Auschwitz“, das als Gedenkstätte fungiert. Im benachbarten Ort Brzezinka liegt das ehemalige Lager Birkenau, auch Gedenkstätte. Hier vor allem hat die Massenvernichtung der Juden stattgefunden. Zum „Interessengebiet Auschwitz“ gehörte ein Gebiet, das 40 km˛ groß war und mehrere Dörfer umfasste, in denen heute überall wieder Menschen wohnen. Außerdem gehörten zu Auschwitz 40 Nebenlager. Was bedeutet es also praktisch, wenn die Leere des Ortes Auschwitz und der Verzicht auf christliche Formen und Spiritualität an diesem Ort gefordert wird[12]? Das kann sich sinnvollerweise also nur auf die Gedenkstätte beziehen. Aber selbst diesbezüglich sieht die polnische Perspektive wie folgt aus:

Das erste Anliegen der hier lebenden Menschen ist ganz einfach, die vielen Tausend in Auschwitz ermordeten Polen auf christliche Weise zu ehren. Es ist für Hunderttausende der Friedhof ihrer Angehörigen. Unter dem kommunistischen Regime war ein religiöser Umgang mit diesem Ort verboten. Als die kommunistische Zeit zu Ende ging, erfüllte man sich einen langen Traum: Um deutlich zu machen, dass Auschwitz nicht ein normales Museum ist, sondern viel mehr ein Friedhof, der zur Besinnung und ins Gebet ruft, entstand am Rande des Stammlagers ein Karmelitinnenkloster. Das wirkte nun „im Westen“ so, als würde aus der kommunistischen nun eine katholische Gedenkstätte und schon wieder verschwänden die Juden aus dem Blick. Nachdem nach schwierigen Gesprächen das Kloster umgezogen und die jüdische Bedeutung von Auschwitz klarer geworden ist, geht es heute bei den Auseinandersetzungen um das sog. „Papstkreuz“ in der ehemaligen Kiesgrube darum, dass wenigstens irgendwo (wenn auch nicht über allem dominierend) in eindeuti­gem Bezug zu dem Gräberfeld, zu dem „Friedhof“ der Angehörigen, ein Kreuz stehen soll.

Es gibt viele christliche Glaubenszeugnisse von Überlebenden der Lager. Der Blick auf das Kreuz, auf den unschuldig leidenden Gerechten, die Hoff­nung auf die Auf­erstehung, der Glaube an die Fürbitte der Muttergottes war für viele letzter Halt und Quelle von Kraft zum Durchhalten. Das Kreuz erinnert daran, dass sich das Opfer im Kampf gegen das System des Bösen lohnt. Deshalb haben diese Erfahrungen im We­sent­li­chen nicht zu einer Glaubenskrise in Polen geführt, sondern oft sogar zu einer Vertiefung des Glaubens. So war z.B. der Gründer der größten polnischen katholischen Jugendbewegung, die sog. OAZA, ein ehemaliger Auschwitzhäftling (Ks. Blachnicki). Während der kommunistischen Zeit in Polen war es fast nicht möglich, solche Zeug­nisse zu veröffentlichen, sie prägen aber die von der Kirche tradierte Erinnerung. Das Kreuz symbolisiert die Würde der Menschen, die vom gottlosen System entwürdigt wurden.

Den Menschen, die hier leben oder die kommen, um Auschwitz zu besu­chen, soll das Kreuz mahnen, in der religiösen „Sprache“ der hier lebenden Menschen, dass es ein besonderer Ort ist, der zu ehrfurchts­vollem Verhal­ten, zu Besinnung und Gebet auf­fordert. Das bezieht sich auf die ganze Gedenkstätte und auf alle Opfer.

Auch in Polen wird die Erfahrung von Auschwitz in einem größeren historischen Zusammenhang gesehen. Auschwitz symbolisiert den Versuch, polnische Identität zu vernichten. Die Polen zugedachte Rolle war Sklaventum für die Deutschen. Wer das nicht wollte, war zu vernichten. Auschwitz war Vernichtungslager für polnische Intelligenz und Widerstand, also für die Repräsentanten polnischer Identität. (Von Elie Wiesel stammt der Satz: „Nicht jedes Opfer war ein Jude, aber jeder Jude war ein Opfer.“ Entsprechend kann man sagen: „Nicht jeder Pole war ein Opfer, aber jeder Pole, der Pole bleiben wollte.“) Das reiht sich ein in eine lange Geschichte: die polnischen Teilungen seit 1772, als Polen von der europäi­schen Landkarte verschwand, bis in die Nachkriegszeit unter der kommunistischen Diktatur. Für viele in Polen ging der II. Weltkrieg erst 1989 zu Ende. Europa, scheint es, will kein unabhängiges Polen. In dieser ganzen Zeit bildete die Kirche und der christliche Glaube das Rückgrat des nationalen Selbst­bewusstseins. Ohne die Kirche gäbe es Polen nicht. Symbol für die Achtung der Würde der Polen (und des Menschen überhaupt) wurde neben der Muttergottes von Tschenstochau das Kreuz, insbesondere in der atheistischen Zeit des Kommunismus. Deshalb bedeutet das Recht auf ein Kreuz in Auschwitz auch die Anerkennung des freien Polens.

In ihrem Hirtenbrief, in dem die polnische Bischofskonferenz die Entfernung der vielen neben dem „Papstkreuz“ neu aufgestellten Kreuze in der Kiesgrube verlangte, schrieb sie: „Wir knieen vor der Ikone der Herrin von Tschenstochau, nehmen das Kreuz, das seit Jahren in der Kiesgrube steht [das sog. Papstkreuz], in den Blick und drücken unsere Überzeugung aus, dass es an seinem Platz bleibt. […] Das Zeichen des Kreuzes war für viele Sterbende ein Zeichen der Hoffnung und der Suche nach einem Sinn in ihrem Leiden. […] Das Kreuz, das am Ort der Exekution von 152 Polen steht, verdient Respekt ebenso wie die religiösen Symbole aller, die im Lager umkamen. […] Das willkürliche Aufstellen der Kreuze in der Kiesgrube hat den Charakter von Provokation und ist der Achtung unwürdig, die dieser Ort verdient. […] Das Kreuz, das für uns Christen das höchste Zeichen für Liebe und Hingabe ist, darf nie als Mittel des Kampfes gegen irgendjemanden benutzt werden. […] Wir wissen, dass die Kirche mit dem jüdischen Volk durch das geistige Erbe besonders verbunden ist. Bei Juden und Christen gibt es jedoch eine verschiedene Konzeption des Sinnes von Leid. Mit demselben Vernichtungslager verbinden wir verschiedene Inhalte. Für die einen ist es das ‚Golgota unserer Zeit‘, für die anderen Symbol völliger Vernichtung, die mit dem Wort ‚Schoah‘ ausgedrückt wird. Das verlangt von uns gegenseitige Achtung unserer Verschiedenheit und verpflichtet uns gleichzeitig dazu, Lösungen zu suchen, die nicht verletzen und für beide Seiten anzunehmen sind. […] Wir sind offen für den Dialog über die zukünftige Gestalt dieses Totenfeldes unserer Zeit, das das Lager Auschwitz-Birkenau ist.“[13]

In diesem ersten Teil ging es vor allem um die gesellschaftliche Funktion, die das Kreuz als Symbol für die Erinnerung an Auschwitz bei Juden und bei deutschen und polnischen Christen hat, sozusagen um die Außensicht des Kreuzes. Im folgenden zweiten Teil soll es um die Innensicht, die immanente theologische Botschaft des Kreuzes gehen.

B. Innensicht: Die theologische Botschaft des Kreuzes

Was ist die Botschaft des Kreuzes selbst für uns gläubige Christen im Hinblick auf Auschwitz? Es soll im Folgenden nicht um eine Theorie und christliche (katholische) Ideologie gehen, sondern um Einsichten, die mir als Christ „am Rande von Auschwitz“ in spannungsvollen Begegnungen gekommen sind. Der offenen Begegnung (die bereit ist, sich in Frage stellen zu lassen) sollen sie auch weiter dienen.

1. Verzicht auf die christliche Botschaft vom Kreuz im Hinblick auf Auschwitz?

            Es ist wahrscheinlich, dass für einige Christen die Botschaft vom Kreuz keine Antwort auf Auschwitz birgt. Aber dann ist für sie der christli­che Glaube „nach Auschwitz“ grundsätzlich infrage gestellt. Es wäre ehrlicher zu sagen, dass sie „nach Auschwitz“ nicht mehr Christen sein können. Vor solcher Ehrlichkeit gilt es Respekt zu haben!

Aber selbst in den Fragen, die die größte Herausforderung bilden, wird das Thema des Kreuzes zentral für die glaubende Auseinandersetzung mit Au­schwitz bleiben:

Thema: Leiden des ungerecht Verfolgten. Das Thema der unschuldig Gequälten und Ermordeten verbindet sich für uns mit der Erinnerung an das Schicksal Jesu. Das Kreuz richtet den Blick auf die unschuldigen Opfer von Gewalt. Jesus selbst hat sein Schicksal mit dem ihren verbunden: „Was Ihr einem dieser Geringsten getan habt, das habt Ihr mir getan“ – oder nicht getan (Mt.25).

Thema: Wo ist Gott? Die Frage nach der Gottesferne verbindet sich für Christen unlöslich mit dem Schrei Jesu am Kreuz: „Mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“ (Ps. 22) Das Kreuz ist Sym­bol für Gottes Solidarität mit den Opfern von Gewalt gerade auch in ihrer Erfahrung von Gottesverlassenheit. Christlicher Glaube ist wesentlich Glaube in der dunklen Nacht. Auch Christen haben Gott nur „im Entzug“, im Glauben; Erlösung ohne Erfüllung (Paulus, Röm. 8, 24: „Wir sind gerettet, doch in der Hoffnung. Hoffnung aber, die man schon erfüllt sieht, ist keine Hoffnung“).

Thema: Das Unaussprechliche und Unerklärbare. Auch da, wo eine Theologie, eine spekulative Theorie des Kreuzes radikal abgelehnt wird, bleibt der Ruf „in die Nachfolge und Umkehr zum Kreuz“[14] als Ausdruck radikaler praktischer Liebe und Hoffnung. Jenseits aller Theorie bekommt das Kreuz existentiellen Appellcharakter.

Thema: Askese des Schweigens. Selbst die Zurücknahme, das Schweigen, das Einräumen von Platz für den Anderen, wird mit einer Theologie des Kreuzes begründet: So wie sich Jesus am Kreuz aus Liebe zurückgenommen hat, so haben wir uns zurückzunehmen… (Schweigen kann allerdings auch eine elegante Weise sein, sich vor der Verantwortung zu drücken.)

Thema: Schuld und Vergebung. Gibt es Hoffnung für die Täter? Ist Auschwitz zu vergeben? In welchem Sinne und in welchem Sinne nicht? Was bedeutet es zu bekennen, dass Christus die Schuld der Welt auf sich genommen hat? Dafür steht in der christlichen Tradition der Sühnetod Jesu am Kreuz.

Weil uns das Kreuz in zentralen Bereichen der Reflexion „nach Auschwitz“ begegnet, müssen wir Rechenschaft darüber ablegen, welches für uns die Botschaft ist, die wir mit ihm verbinden.

2. Christliche Grundbedeutungen des Kreuzes im Hinblick auf Auschwitz

Wenn Christen nach dem Handeln Gottes in der Geschichte fragen, ist der wichtigste Bezugspunkt die Erfahrung mit Jesus Christus. Im Blick auf das Kreuz versuchen wir die Geschichte zu verstehen.[15] Im Kreuz vereinen sich für uns die Erfahrung von Gottesferne und Gottesnähe: der Schrei des auf Golgotha verlassenen sterbenden Christus: „mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ ist zugleich der Ausdruck größter Nähe und Liebe Gottes zu den Menschen. Dieses Paradox bildet das Zentrum des christlichen Glaubens. Deshalb kann christliche Theologie im Angesicht von Auschwitz meiner Überzeugung nach gar nicht anders, als Kreuzestheologie und Trinitätstheologie zu sein.

Das Kreuz ist für uns Ausdruck der Liebe Gottes zu den Menschen, besonders zu den Benachteiligten. Schlüssel für das Verstehen der Verbindung Jesu mit allen leidenden Men­schen ist Mt 25, das Gleichnis vom Jüngsten Gericht. Jesus, der Gekreuzigte und Auferstande­ne, fragt: „Ich war hungrig, und ihr habt mir nichts zu essen gegeben; ich war durstig, und ihr habt mir nicht zu trinken gegeben; ich war fremd und obdach­los, und ihr habt mich nicht aufgenommen; ich war nackt, und ihr habt mir keine Kleidung gegeben; ich war im Gefängnis, und ihr habt mich nicht be­sucht. […] Was ihr für einen dieser Gering­sten nicht getan habt, das habt ihr mir nicht getan“ (42-45). Es geht also nicht um Jesus allein, sondern um die Solidarität Gottes mit allen Armen.

Das Kreuz steht für die Hinwen­dung Gottes zu allen Menschen im Akt äußerster Liebe. Diese Liebe Gottes bleibt scheinbar ohnmächtig, auch wenn sie vom Glaubenden innerlich als tröstende Gegenwart erfahren wird. (Es gibt ein jüdisches Bild, das dem nahe kommt. Gott hat sein Gesicht verborgen: er hat nicht aktiv in die Geschichte eingegriffen, sondern die Menschen den Folgen ihrer Freiheit überlassen, und geweint. Aber wenn er weinte, war er doch mit seinem Herzen, mit seiner ganzen Liebe da. Dann hat die Schoah einen Platz in Gottes Herzen. Ich denke manchmal, vielleicht ist Christus eine Träne Gottes.[16])

Das Kreuz ist für uns das Zeichen dafür, dass wir an die Zuwendung Gottes in Leid und Tod glauben, und zwar zu allen Menschen, nicht nur zu Christen. Es ist Ausdruck der Auferstehungshoffnung für die Opfer. Der Tod hat nicht das letzte Wort.

Das Kreuz ist Zeichen des Sieges der Liebe über den Hass. Ein Symbol dafür ist, insbesondere in Polen, Pater Maximilian Kolbe, der sein Leben für einen anderen Häftling gegeben hat.  Papst Johannes Paul II sagte 1979 in Birkenau: „Viele solche Siege gab es, und nicht nur von Gläubigen!“ Dem Anschein entgegen hat die SS nicht gesiegt. Vor Gott nicht und auf Dauer auch nicht vor den Menschen. Hitler hat nicht das letzte Wort, sondern Gott. Und so wie im Himmel soll es auch auf Erden sein! (In diesem Sinne sprach der Papst von Auschwitz als dem „Golgotha unserer Zeit“.) Nicht die Entwürdigung, sondern die Würde der Opfer ist die Botschaft von Auschwitz.

Das Kreuz ist Mahnung an die Lebenden, die Würde der Opfer zu achten und die Lehren für die Gegenwart zu ziehen. Es klagt die Täter an und ruft sie zur Umkehr. Das Kreuz steht dafür, dass wir an die Möglichkeit der Vergebung von Schuld und eines Neuanfangs glauben.

3. Erneuerung projüdisch

Was ich bisher über die Bedeutung des Kreuzes gesagt habe, war eine immanent christliche Perspektive. Aber wie sieht das nun im Verhältnis zum jüdischen Volk aus? Ohne dieses Verhältnis einzubeziehen, ist eine christliche Theologie nach Auschwitz nicht mehr möglich.

Der Schock von „Auschwitz“ hat bewirkt, dass eine tiefgehende Erneuerung des christlich-jüdischen Verhältnisses begonnen hat. Den entscheidenden Durchbruch in der Katholischen Kirche bildete das Zweite Vatikanische Konzil mit der Erklärung „Nostrae aetate“ (Nr. 4). im Jahr 1964:

– Zum Gottesmord-Vorwurf: Man darf „die Ereignisse des Leidens Christi weder allen damals leben­den Juden ohne Unterschied noch den heute lebenden Juden zur Last legen.“

– Zum Verhältnis zum jüdischen Volk: „das Volk des Neuen Bundes ist mit dem Stamme Abrahams durch ein geistliches Band verbunden. […] Man darf die Juden nicht als von Gott verworfen oder verflucht darstellen, als wäre dies aus der Heiligen Schrift zu folgern.“

– Zum Antisemitismus: „Die Kirche beklagt […] alle Hassaus­brüche, Verfolgungen und Manifestationen des Antisemitismus, die sich zu irgend­einer Zeit und von irgendjemandem gegen die Juden gerichtet ha­ben.“

– Zum Inhalt der Predigt vom Kreuz: „So ist es die Aufgabe der Predigt der Kirche, das Kreuz Christi als Zei­chen der universalen Liebe Gottes und als Quelle aller Gnaden zu verkünden.“

Diese Weichenstellungen sind insbesondere von Papst Johannes Paul II. konsequent und radikal realisiert worden. Inhaltlich bedeutet das u.a.: Das jüdische Volk ist nicht nur nicht verworfen, sondern unserer „älterer Bruder“; das Verhältnis zu ihm nicht etwas Äußeres, sondern etwas unser eigenen Identität Inneres. Es geht um die Realität der Inkarnation, um die Konkretheit der Heilsgeschichte. Es ist kein Zufall, dass Jesus Jude ist. So wie Jesus zunächst die Seinen liebte, also die Juden, und dann auch alle anderen, so spricht durch ihn die Liebe des Vaters zunächst zu seinem Volk und dann auch zu allen anderen. Das Kreuz ist also ein Zeichen der Radikalität der Liebe zum jüdischen Volk, bevor es ein Zeichen der Liebe „für alle“ ist. Das zu begreifen, bedeutet, dem jüdischen Volk gegenüber tief dankbar zu werden dafür, dass wir, vermittelt durch Jesus, Anteil an seiner Heilsgeschichte haben dürfen.

4. Reinigung

Wenn wir das begreifen, wird die Shoah eine Wunde in der Mitte des christlichen Lebens. Mit der Dankbarkeit gegenüber dem jüdischen Volk dafür, dass wir ihm den Glauben verdanken, kommt ein umso tieferes Erschrecken über das, was Christen ihm angetan haben. Wir haben es gekreuzigt (Papst, Karfreitag 1998). Wir haben gleichzeitig mit dem jüdischen Volk Jesus Christus selbst verraten. Wir sind die Gottesmörder.

Wir sind zu einer fundamentalen Gewissenserforschung, zum Schuldbekenntnis und zur Umkehr, zur Teschuwa herausgefordert. Aber das bedeutet auch, dass sich die Gewissenserforschung der Christen wesentlich angesichts des Kreuzes vollzieht, im Blick auf die Liebe, die dort aufscheint. Die wesentliche Gewissensfrage an uns lautet: Gott war bei den Op­fern – wo warst Du? Wo bist Du heute (Mt. 25)? – Was ist damals in Deutschland geschehen? Wir haben drinnen Gottesdienste gefeiert und draußen wurden die Juden abgeschafft. Wir haben – von ganz seltenen Ausnahmen abgesehen – nicht einmal gemerkt, dass jede Jesu-, Maria- oder Apostelfigur den Judenstern hätte tragen müssen. Jesus ist mit den Seinen nach Auschwitz gefahren worden – was haben wir eigentlich gemacht in unseren Gottesdiensten, wenn Jesus schon lange nicht mehr da war? Das ist unsere Gewissensfrage, die uns als deutsche Christen tief bis in die Wurzel beunruhigen muss. Ich bin zutiefst überzeugt davon, dass wir zurück zu Christus müssen, um die Liebe zum jüdischen Volk in unserer Kirche wiederzufinden.

Papst Johannes Paul II hat die Weltkirche dazu aufgefordert, die Schwelle zum neuen christlichen Jahrtausend nur mit einer gründlichen Gewissenserforschung, Vergebungsbitte und Erneuerung zu überschreiten. Beim großen Jubiläumsgottesdienst zu Schuldbekenntnis und Vergebungsbitte am 12. März 2000 in Rom leitete Kardinal Cassidy das Schuldbekenntnis im Verhältnis zum jüdischen Volk ein: „Lass die Christen der Leiden gedenken, die dem Volk Israel in der Geschichte auferlegt wurden. Lass sie ihre Sünden anerkennen, die nicht wenige von ihnen gegen das Volk des Bundes und der Seligpreisungen begangen haben, und so ihr Herz reinigen.“

Danach betete der Papst:

„Gott unserer Väter,

Du hast Abraham und seine Nachkommen auserwählt,

Deinen Namen zu den Völkern zu tragen.

Wir sind zutiefst betrübt über das Verhalten aller,

die im Laufe der Geschichte Deine Söhne und Töchter leiden ließen.

Wir bitten um Verzeihung und wollen uns dafür einsetzen,

dass echte Brüderlichkeit herrsche mit dem Volk des Bundes.

Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.“[17]

Dann ging er zum Kreuz und küsste die Füße des Gekreuzigten. Kurz darauf wiederholte er, auf seiner Wallfahrt auf den Spuren Jesu, dieses Gebet an der Klagemauer in Jerusalem (ohne die christologische Schlussformel) und steckte den Zettel mit dem Text zwischen die Steine. Liebe und Treue zum Gekreuzigten und Liebe zu seinem Volk vereinten sich.

Noch eine Bemerkung zu Johannes Paul II – Karol Wojtyla. Er ist in Polen aufgewachsen und hat sich im Schatten von Auschwitz, im polnischen Untergrund unter dem deutschen Terrorregime, entschieden, Priester zu werden. Der israelische Präsident Barak sagte zu ihm in der Jerusalemer Gedenkstätte Yad Vashem: „Als meine Großeltern mit den polnischen Juden in die Vernichtung gebracht wurden, warst Du da – und Du erinnerst das!“[18]. Karol Wojtyla kommt von der Opferseite. Sicher war deshalb für ihn der Weg zu den jüdischen Opfern kürzer, als er es für einen deutschen Bischof wohl ist. Aber wir Deutschen müssen diesen Weg auch gehen, selber gehen, wollen wir Christus lieben.

Im Hinblick auf Auschwitz geht es bei der Gewissenerforschung nicht nur um die Frage, was haben Christen mit Juden gemacht. Es geht auch um die Frage, was haben deutsche Christen polnischen Christen angetan und um den Weg der Heilung der deutsch – polnischen christlichen Beziehungen über Schuldbekenntnis, Vergebungsbitte und Versöhnung.

 

5. Dialog

            Dialog fordert eine Klärung der eigenen Identität. Ohne eigene Identität, wenn auch immer nur als angefragte, gibt es keinen Dialog. In diesem Sinne ist das Kreuz im Dialog kein Verhandlungsgegenstand, sondern dessen Akzeptanz eine Voraussetzung für den Dialog: als Akzeptanz der Identität eines der Dialogpartner und als Akzeptanz der Identität eines großen Teiles der Opfer. Die Kir­che kann nicht auf den Glauben, für den das Kreuz steht, verzichten. Sie kann nur sich selbst und die Weise, wie sie ihren Glauben zum Ausdruck bringt, reinigen. Im Spannungsfeld Glaubensbekenntnis – Gewissenserforschung sucht sie ihre Position im christlich-jüdischen Dialog.

Es ist ein Unterschied, eine Identität zu haben oder mit dieser Identität andere dominieren zu wollen. Sich auf einen Dialog einlassen, bedeutet, bereit zu sein, dem Anderen in sei­nem Anderssein Platz einzuräumen, also sich selbst zurückzunehmen. Es gehört zum heutigen unverrückbaren Selbstverständnis der Kirche, dass das Gewis­sen Anderer zu achten ist und dass auch dafür das Kreuz steht. Das Kreuz bedeutet Liebe, also Annahme des Anderen in seinem Anderssein, es bedeutet, ihm Raum zu geben. Es bedeutet insbesondere Respekt vor dem jüdischen Volk. Anerkennung heißt auch, dass wir Christen anerkennen, dass das Kreuz kein Zei­chen der Erlösung für Juden ist, dass es sie vielmehr an die Geschichte von Dis­kriminie­rung und Ausschluß aus christ­lich geprägten Gesellschaften erinnert, die ihren grau­sa­men Höhepunkt eben in Auschwitz fand.

Es geht nicht zuerst darum, eine gemeinsame Sichtweise zu finden, sondern darum, zunächst die verschiedenen Sichtweisen wahrzunehmen und die Unterschiede zu akzeptieren. Wir sehen das so, ihr anders. Wir brauchen dann das Gespräch über die Form, das Wie des Gedenkens. Wie ein gegenseitiges Respektieren zum Ausdruck bringen, ohne zu dominieren?

Edith Stein, Teresa, die vom Kreuz Gesegnete, ist uns Christen dabei eine Hilfe. Sie verbindet in großer Klarheit ihren Kreuzesglauben mit ihrer Liebe zu ihrem jüdischen Volk. Daraus ergibt sich aber auch, dass Wallfahrten auf den Spuren Edith Steins nicht einfach christliche Erbauungsfahrten sein können. Ein Nachdenken über unsere Beziehung zu den Juden und über das Versagen des deutschen Volkes im Dritten Reich gehört dazu, ebenso wie eine Gewissenserforschung, die zu Schuldbekenntnis und Umkehr bereit ist. Und Umkehr heißt Friedensarbeit. Papst Johannes Paul II: „Wenn heute Edith Stein zur Mitpatronin Europas erklärt wird, soll damit auf dem Horizont des alten Kontinents ein Banner gegenseitiger Achtung, Toleranz und Gastfreundschaft aufgezogen werden, das Männer und Frauen einlädt, sich über die ethnischen, kulturellen und religiösen Unterschiede hinaus zu verstehen und anzunehmen, um eine wahrhaft geschwisterliche Gemeinschaft zu bilden.“[19]

II. Edith Stein – Von Auschwitz aus gesehen[20]

 „Unter dem Kreuz verstand ich das Schicksal des Volkes Gottes,

das sich damals anzukündigen begann.“

Edith Stein, Schwester Teresa Benedicta vom Kreuz, 1938.

 

Ich möchte in zwei Schritten vorgehen: 1. Was das heißt: „von Auschwitz aus gesehen“? Wovon erzählt uns der Ort? 2. Was kann Edith Stein uns auf diesem Hintergrund sagen?

A Von Auschwitz aus gesehen

Es gab etwa 40 Lager, die zu Auschwitz gehörten. Das erste war das sog. Stammlager, das zweite und größte Birkenau, wo auch die Fabrikanlagen zur Menschenmassenvernichtung eingerichtet wurden, die seit 1943 in Betrieb waren. Die Vernichtung der Juden im Rahmen der sog. Endlösung begann 1942. Provisorisch wurde zunächst in umgebauten Bauernhäusern vergast. In einem davon, dem sog. weißen Haus, ist vermutlich im August 1942 Edith Stein vergast worden.

Dieser Ort erzählt. Das erste, was ich erwähnen möchte, sind Spannungen um den Umgang mit diesem Gedenkort.

1. Spannungen der Gegenwart

Anfang der 1980er Jahre hatte eine Gruppe polnischer Pfadfinder auf der Wiese hinter den Ruinen des „weißen Hauses“ Kreuze und Davidsterne aufgestellt, um deutlich zu machen, dass dieser abgelegene Ort eine besondere Bedeutung hat, dass er so etwas wie ein Friedhof ist. Auch eine Gedenktafel für Edith Stein an ihrem vermutlichen Todesort wurde aufgestellt.

Am 7. Juli 1997 sagte Elie Wiesel bei einer Gedenkfeier aus Anlass des 50. Jahrestages des Pogroms von Kielce: „Herr Premier [Cimoczewicz], Sie waren so gut, mir zu versprechen, sich per­sönlich der dutzend Kreuze anzunehmen, die in Birkenau, auf dem größten un­sichtbaren jüdischen Friedhof der Geschichte aufgerichtet wurden, an einem Ort, wo religiöse Symbole nicht hingehören. Birkenau selbst ist ein genügend sprechendes Symbol. Die Kamine, die Krematoriumsruinen. Bei aller gebührenden Achtung für alle Religionen und alle Gläubigen, war und bleibt die Anwesenheit von Kreuzen auf der heiligen Erde, die unzählige jüdische Opfer in Birkenau bedeckt, eine Beleidigung. Diese jüdischen Opfer, vor allem aus Ungarn, die dort vergast und verbrannt wurden, waren die frommsten unter den Frommen. Unter ihnen war meine Familie: der Großvater, die Großmutter, Onkel, Tanten, Kusinen. Meine kleine Schwester. Es gibt nicht die geringste Rechtfertigung, über ihre Überreste ein Kreuz aufzustellen. Wer immer das getan hat, mag es mit guten Absichten getan haben, aber das Resultat ist katas­trophal, ist Gotteslästerung.

Diese Worte wirkten in Polen wie ein Schock. Schon am nächsten Tag veröffentlichte Weihbischof Gądecki, Sekretär der Kom­mission für den Dialog mit dem Judentum der polnischen Bischofskonferenz, eine Erklärung mit den zentralen Sätzen: „Auf dem Gelände von Auschwitz-Birkenau kamen neben der großen Mehrheit der Juden auch Christen aus vielen Völkern ums Leben. Dieser Ort ist auch ein Fried­hof von Christen, für die das Zeichen des Kreuzes die Verkündigung der Auf­erstehung be­deutet. […] Es geht nicht darum, irgendwelche religiösen Zeichen und Symbole zu eliminieren, sondern darum, die kommenden Generationen dazu zu erziehen, die Zeichen und Symbole der eigenen und der anderen Bekenntnisse zu achten, damit würdig nebeneinander bestehen kann, was für den einzelnen Menschen den höchsten Wert darstellt.

Im Dezember 1997 wurden die Kreuze, Sterne und die Gedenktafel von der Wiese hinter dem „weißen Haus“ entfernt – für die Öffentlichkeit plötzlich und unvorbereitet, aber nach Absprache zwischen der Gedenkstätte, dem Kultusministerium und dem Ortsbischof.[21] Es stehen dort jetzt vier Gedenksteine, wie an mehreren Stellen in Birkenau, wo besonders viele Asche liegt, wo quasi Gräber sind. Auf ihnen steht in Polnisch, Englisch, Hebräisch und  Jiddisch geschrieben: „Im Gedenken an die Männer, Frauen und Kinder, die Opfer wurden des Nazi-Völkermordes. Hier liegt ihre Asche. Mögen ihre Seelen im Frieden ruhen.

2. Der Schrecken der Geschichte

Wovon erzählt dieser Ort historisch? Wovon erzählt diese Ruine des „weißen Hauses“? Was geschah dort?

Es gibt einige wenige Überlebende des sog. Sonderkommandos, die im Krematorium gearbeitet haben. Gideon Greif, ein Mitarbeiter der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem, hat versucht, sie systematisch zu besuchen, und ein Buch mit Interviews veröffentlicht. Darin berichtet er von Eliezer Eisenschmidt, der eigentlich nicht erzählen wollte, der sich schließlich nur bereit erklärt hat zu diesem Interview, um zu helfen zu erinnern. Von De­zember 1942 bis zur In­betriebnahme der neuen Kre­matorien im Mai 1943 arbeitete er an den zu pro­visorischen Gas­kammern umgebauten Bauernhäusern, wo im August 1942 wahr­scheinlich auch Edith Stein vergast worden war. Das neue Son­derkommando ist gebildet worden, nach­dem die Vorgänger ­ermordet worden waren. Folgendermaßen erzählt er von seinem ersten Tag im Sonderkommando (11.12.1942):

Wir wurden in zwei Gruppen eingeteilt: Sonderkommando 1 und Son­derkommando 2. In jeder Gruppe waren ca. 150 Leute. Auf unserem Weg nach draußen wurden wir am Tor von SS-Männern mit Hunden umstellt, die uns in den Wald brachten. Dort wurden wir noch einmal aufgeteilt: eine Gruppe wurde für die Arbeit in der Effektenkammer bei der Sortierung der Kleider der Ermordeten eingesetzt. Die zweite Gruppe wurde bei der Leichenverbrennung eingesetzt. Die Deutschen fragten: ‚Gibt es unter Euch Friseure?‘ Einige Männer traten hervor und erhielten Scheren. Dann fragten sie: ‚Wer von Euch ist Zahnarzt?‘ Einige traten hervor und erhielten Zahnarztzangen. Der Rest wurde in Gruppen zu je sechs Leuten aufgeteilt. Zum Beispiel: sechs Leute mussten die Karren mit den Leichen schieben, andere sechs waren die ‚Schlepper‘, die die Leichen zu den Karren bringen mussten. Die Deutschen teilten uns in die Gruppen ein, bevor die Gaskammer geöffnet wurde, so dass wir nicht wußten, um welche ‚Arbeit‘ es ging. Ich wußte natürlich nicht, was wir auf die Karren packen sollten, als ich in der Sechsergruppe neben den Karren stand. Ich hatte schon einige Erfahrung in der Arbeit mit Karren – noch aus der Zeit, in der ich im Getto war, als ich in einer Sägerei arbeitete. Doch dort brachten wir Holzplatten auf Karren zu einer Fähre und entluden sie da.

            Man brachte uns in den Hof, öffnete die Tür des Gebäudes, das als Gaskammer diente – und uns wurde schwarz vor Augen. Wir waren völlig schockiert. So etwas hatten wir selbst in unseren schlimmsten Träumen nicht erwartet. Bis heute habe ich diesen Anblick hinter der geöffneten Tür vor mir. Dort stand die unbekleidete Leiche einer Frau, nach innen gebeugt. Wir erstarrten zu Salzsäulen und wußten nicht, was dort geschah. Wir sahen die Leichen in der Gaskammer.

            Als man begann, die Leichen herauszuholen, erkannten wir, wie sie ineinander verknäult waren. Dann erhielten wir neue Anweisungen: ‚Die Schlepper gehen mit den Gasmasken hinein und holen die Leichen heraus.‘ – ‚Die Zahnärzte untersuchen die Leichen auf Goldzähne. Finden sie Goldzähne, so sind den Leichen die Zähne mit der Zange zu ziehen.‘ – ‚Die Friseure schneiden den Leichen mit den Scheren die Haare ab.‘ Die ‚Schlepper‘ erhielten die Anweisung, die Leichen auf die Karren zu packen und von den Karren später in die großen Gruben zu werfen. Daneben gab es eine Gruppe, die sie ‚Feuerkommando‘ nannten. Diese Gruppe musste das Feuer kon­trollieren, in dem die Leichen verbrannt wurden.

            Als wir diese furchtbaren Anweisungen hörten, waren wir völlig entsetzt. Ich war, wie gesagt, zu der Gruppe eingeteilt worden, die die Leichen auf die Karren packen musste. In den ersten Minuten wagte ich es gar nicht, eine Leiche anzufassen – so etwas war mir in meinem Leben noch nicht geschehen. Ich war natürlich nicht der einzige in der Gruppe, der sich vor einer Berührung mit den Leichen fürchtete. Ich fing erst an zu arbeiten, nachdem ich schwere Stockschläge auf den Rücken erhalten hatte. Da begriff ich, dass ich keinen Ausweg oder keine Rückzugsmöglichkeit hatte. Ich musste mich mit der Idee und meiner Situation abfinden. Man darf das nicht falsch verstehen. Wir hatten keine andere Wahl. Das war mein Schicksal. Wenn jemand anderes an meiner Stelle gewesen wäre, hätte er auch so gehandelt.[22]

Ich zitiere das, um deutlich zu machen, wovon die Rede ist, wenn wir davon sprechen, dass Edith Stein in Auschwitz vergast wurde. Eigentlich kann man da nur schweigen …

Aber Menschen fragen, sprechen, suchen Orientierung. Im Folgenden möchte ich untersuchen, was auf diesem Hintergrund, von Auschwitz aus gesehen, Edith Stein uns bedeuten kann.

B Edith Stein und Auschwitz

1. Edith Stein – wusste sie, was auf sie zukam?

Es gibt viele Spuren in der Biographie von Edith Stein, die darauf hindeuten, dass sie zunehmend ahnte, was auf sie zukam, auch wenn sie es natürlich nicht genau wissen konnte.

In ihren Erinnerungen schrieb die Baronin v. Bodmann: „Als die französische Besatzung nach dem Ersten Weltkrieg aus der Pfalz abzog und am gleichen Abend unsere deutschen Truppen über die Rheinbrücke unter Glockengeläut nach Speyer einzogen, […] war Fräulein Stein sehr ernst und meinte: ‚Sie werden sehen, jetzt setzt erst eine Judenverfolgung ein und dann eine Kirchenverfolgung‘. Ich war einfach platt.“[23]

Edith Stein berichtete von einem zufälligen Gespräch mit einem Mann im Jahr 1933, der „erzählte, was amerikanische Zeitungen von Greueltaten berichteten, die an Juden verübt worden seien. […] Jetzt ging mir ein Licht auf, dass Gott wieder einmal schwer seine Hand auf sein Volk gelegt habe und dass das Schicksal dieses Volkes auch das meine wäre.[24]

Bekannt ist, dass sie schon sehr früh einen Brief an den Papst schrieb[25] und ihn bat, sein Schweigen zu brechen. „Ich habe später oft gedacht, ob ihm nicht dieser Brief noch manchmal in den Sinn kommen mochte. Es hat sich nämlich in den folgenden Jahren Schritt für Schritt erfüllt, was ich damals für die Zukunft der Katholiken in Deutschland vorraussagte.[26]

Später dann im Karmel schrieb sie einen Text, einen Dialog der Mutter Ursula mit der hl. Angela, in dem es heißt:

Was heißt auch Sicherheit?

Wo ist ‚gewisses Los‘?

Wir sehen ja – und gut ist’s, dass wir drauf gestoßen werden -,

wie um uns Bauten in die Brüche gehen,

die für die Ewigkeit getürmt schienen.

Gewiss ist nur das Eine: dass Gott ist

und dass uns seine Hand im Sein erhält.

Mag drum die ganze Welt in Trümmer stürzen –

wir stürzen nicht, wenn wir an ihn uns halten.[27]

1941 im Januar sagte sie vor ihrer Schwesterngemeinschaft: „Ein neues Jahr an der Hand des Herrn – ob wir das Ende dieses Jahres erleben, wissen wir nicht.“[28]

Berühmt ist das folgende Zitat, Ende 1941: „Ich bin mit allem zufrieden. Eine scientia crucis [Kreuzeswissenschaft] kann man nur gewinnen, wenn man das Kreuz gründlich zu spüren bekommt. Davon war ich vom ersten Augenblick an überzeugt und habe von Herzen: Ave, Crux, spes unica! [Sei gegrüßt, Kreuz, unsere einzige Hoffnung] gesagt.[29]

1942, schon in Holland, sprach sie vor den Schwestern von ihrer Dankbarkeit für die Aufnahme im Kloster Echt. Aber sie fügte sofort hinzu: „Dabei ist immer in mir lebendig, dass wir hier keine dauernde Statt haben. Ich habe kein anderes Verlangen, als dass an mir und durch mich Gottes Wille geschehe. Bei ihm steht es, wie lange er mich hier läßt und was danach kommt.[30]

D.h., auch wenn sie versucht, in ein Kloster in die Schweiz zu kommen, sie wusste Bescheid über die Wolken, die sich zusammenzogen. Aus allen Zeugnissen geht hervor, dass sie bereit war, anzunehmen, was kommen sollte, und dass sie „Ja“ sagte zu ihrem Schicksal. In einem Brief 1939 schrieb sie an ihre Ordensvorgesetzte: „Sie schrieben, liebe würdige Mutter, was man mir zum Trost sagen könnte. Men­schlichen Trost gibt es freilich nicht …[31]

2. Was bedeutete ihr der Glaube in diesem Zusammenhang?

Menschlichen Trost gab es nicht. Was bedeutete Edith Stein in diesem Zusammenhang der Glaube, und welche Rolle spielte dabei das Kreuz? Bei ihr sind der Weg zum Glauben und die Bedeutung, die das Kreuz für sie bekommt, eng miteinander verbunden.

Berühmt ist die Szene – sie war noch nicht katholisch geworden (im Nov. 1917): ihr Freund und Mentor während der ersten Studienjahre in Göttingen, der Philosophiedozent Adolf Reinach, war im Krieg gefallen. Sie sollte den wissenschaftlichen Nachlass ordnen und fürchtete sich, seine Witwe zu besuchen. Ich glaube, es ist wichtig zu sehen, dass das ein Punkt in ihrem Leben war, an dem sie nicht nur ganz tief begriff, was ein persönlicher Verlust bedeutet, sondern auch, was die Grausamkeit des Krieges ist, der so viele wertvolle Menschen vernichtet. In diesem Zusammenhang war sie dann überrascht, dass die Witwe, Frau Reinach, als religiöse Christin so gut damit umgehen konnte. Und sie erzählte: „Es war dies meine erste Begegnung mit dem Kreuz und der göttlichen Kraft, die es seinen Trägern mitteilt. Ich sah zum ersten Mal die aus dem Erlöserleiden geborene Kirche in ihrem Sieg über den Stachel des Todes handgreiflich vor mir.“[32]

Viele Jahre später schrieb sie einen Dialog zwischen der Mutter des Karmel (in der Karmelgemeinschaft wird die Priorin „Mutter“ genannt) und der Königin Esther aus dem AT. Esther sagt da u.a.:

„Doch kam ein Tag, da durch die ganze Schöpfung

ein Riß ging. Alle Elemente schienen

im Zustand der Empörung, Nacht umhüllte

die Welt zur Mittagszeit. Doch mitten in der Nacht

stand, wie vom Blitz erhellt, ein kahler Berg

und auf dem Berg ein Kreuz, d‘ran einer hing,

aus tausend Wunden blutend; uns befiel ein Durst,

aus dieser Wunden Quell uns Heil zu trinken.

Das Kreuz verschwand in der Nacht, doch uns‘re Nacht

durchdrang mit einem mal ein neues Licht,

wie nie wir es geahnt: ein süßes, sel‘ges Licht.

Es strömte aus den Wunden jenes Mannes,

der eben erst am Kreuz verschied; nun stand er

in uns‘rer Mitte. Er war selbst das Licht,

das ew‘ge Licht, das wir ersehnt‘ von alters,

des Vaters Abglanz und der Völker Heil.

Er breitete die Arme weit und sprach

mit einer Stimme voller Himmelsklang:

Kommt zu mir alle, die ihr treu gedient

dem Vater und in Hoffnung lebet

auf den Erlöser; seht, er ist bei Euch,

er holt Euch heim in seines Vaters Reich.

Was nun geschah, vermag kein Wort zu sagen.

Wir alle, die die Seligkeit erharrten,

wir waren nun am Ziel – in Jesu Herz.[33]

Und wir können hinzufügen: … in Jesu Herz  –  beim Vater.

Sie verstand das, was im Dritten Reich geschah, als Kampf zwischen Christus und dem Antichristen. Wahrscheinlich 1934 schrieb sie: „Noch ist der Kampf zwischen Christus und dem Antichristen nicht ausgefochten. In diesem Kampf haben die Gefolgsleute Christi ihre Stelle. Und ihre Hauptwaffe ist das Kreuz.[34]

1939 am Fest Kreuzerhöhung schrieb sie einen Text für ihre Gemeinschaft. Das Fest Kreuzerhöhung ist im Karmel das Fest der Gelübde-Erneuerung. „Der Gekreuzigte schaut auf uns herab und fragt uns, ob wir noch gewillt sind, ihm zu halten, was wir ihm in einer Gnadenstunde gelobt haben. Er hat wohl Grund, so zu fragen. Mehr denn je ist heute das Kreuz das Zeichen, dem widersprochen wird. Die Anhänger des Antichrist tun ihm weit ärgere Schmach an als einst die Perser, die es geraubt hatten. Sie schänden die Kreuzbilder und machen alle Anstrengungen, das Kreuz aus dem Herzen der Christen zu reißen. Nur allzu oft ist es ihnen gelungen, auch bei denen, die wie wir, einst gelobt hatten, Christus das Kreuz nachzutragen. Darum blickt uns der Heiland heute ernst und prüfend an und fragt jede einzelne von uns: Willst Du dem Gekreuzigten die Treue halten? Überlege es wohl! Die Welt steht in Flammen, der Kampf zwischen Christus und dem Antichrist ist offen ausgebrochen. Wenn Du Dich für Christus entscheidest, so kann es Dein Leben kosten. […] Die Arme des Gekreuzigten sind ausgespannt, um dich an sein Herz zu ziehen. Er will dein Leben, um dir das seine zu schenken.

Ave Crux, Spes unica!

Die Welt steht in Flammen. Der Brand kann auch unser Haus erreichen. Aber hoch über allen Flammen ragt das Kreuz. Sie können es nicht verzehren. Es ist der Weg von der Erde zum Himmel. Wer es glaubend, liebend, hoffend umfaßt, den trägt es empor in den Schoß des Dreieinen.

            Die Welt steht in Flammen. Drängt es Dich, sie zu löschen? Schau auf zum Kreuz. Aus dem offenen Herzen quillt das Blut des Erlösers. Das löscht die Flammen der Hölle. Mache Dein Herz frei durch die treue Erfüllung deiner Gelübde, dann ergießt sich die Flut der göttlichen Liebe in Dein Herz, bis es überströmt und fruchtbar wird bis an die Grenzen der Erde. Hörst Du das Stöhnen der Verwundeten auf den Schlachtfeldern im Westen und Osten? […] An allen Fronten, an allen Stätten des Jammers kannst Du sein in der Kraft des Kreuzes, überallhin trägt dich seine erbarmende Liebe, die Liebe aus dem göttlichen Herzen, überallhin sprengt sie sein kostbares Blut – lindernd, heilend, erlösend.[35]

Hier begegnet uns der Stellvertreter-Gedanke. Für Edith Stein ist das Leben im Karmel eine Weise, Liebe in die Wunden der Welt zu fließen zu lassen.

3. Die dunkle Nacht

In der „Kreuzeswissenschaft“ stehen die Sätze: „Wir wissen …, dass ein Zeitpunkt kommt, in dem die Seele … völlig in Dunkelheit und Leere versetzt wird. Es bleibt ihr gar nichts anderes mehr, woran sie sich halten könnte, als der Glaube. Der Glaube stellt ihr Christus vor Augen: den Armen, Erniedrigten, Gekreuzigten, am Kreuz selbst vom göttlichen Vater Verlassenen. In seiner Armut und Verlassenheit findet sie die ihre wieder.[36]

Wir wissen nicht, ob der Glaube Edith Stein auch in der Hölle von Birkenau bis zuletzt geholfen hat. Wir wissen ja nicht einmal sicher, ob sie wirklich in Auschwitz angekommen ist. Es sind nur Vermutungen. Ebenso schließen wir nur aus allem, was sie vorher gelebt hat, dass sie mit ihrem Glauben in den Tod gegangen ist, dass er sie getragen hat. Aber das ist für uns nur eine Hoffnung, wir wissen es nicht. Und freilich ist auch das Schweigen von Edith Stein in Auschwitz beredt.

Ich möchte nochmal die Blickrichtung wechseln. Elie Wiesel hat gesagt, Jesus habe zu kurz gelitten, sei zu schnell gestorben… Wer in Auschwitz leben musste, konnte kein Heiliger bleiben.[37] Elie Wiesel schreibt auch über die Gottesferne im Lager. Die vielleicht berühmteste Stelle ist die folgende: „Nie werde ich diese Nacht vergessen, die erst Nacht im Lager, die aus meinem Leben eine siebenmal verriegelte lange Nacht gemacht hat. Nie werde ich diesen Rauch vergessen. Nie werde ich die kleinen Gesichter der Kinder vergessen, deren Körper vor meinen Augen als Spiralen zum blauen Himmel aufstiegen. Nie werde ich die Flammen vergessen, die meinen Glauben für immer aufzehrten. Nie werde ich das nächtliche Schweigen vergessen, das mich in alle Ewigkeit um die Lust am Leben gebracht hat. Nie werde ich die Augenblicke vergessen, die meinen Gott und meine Seele mordeten, und meine Träume, die das Antlitz der Wüste annahmen. Nie werde ich das vergessen, und wenn ich dazu verurteilt wäre, so lange wie Gott zu leben. Nie.[38]

Glaube in Auschwitz ist immer Glaube in der dunklen Nacht. In Frage gestellter Glaube. Wenn ich jetzt weiter ein paar Texte von Edith Stein zitiere, dann weil es Texte sind, die mir helfen, wie Spuren, auf denen ich meinen eigenen Glauben wagen kann, wie eine Verheißung, aber ohne Sicherheit.

Edith Stein schrieb in der „Kreuzeswissenschaft“: „Die Welt, die wir mit den Sinnen wahrnehmen, ist ja natürlicherweise der feste Grund, der uns trägt, das Haus, in dem wir uns heimisch fühlen, das uns nährt und mit allem Nötigen versorgt, Quelle unserer Freuden und Genüsse. Wird sie uns genommen oder werden wir genötigt, uns aus ihr zurückzuziehen, so ist es wahrlich, als wäre uns der Boden unter den Füßen weggezogen und als würde es Nacht rings um uns her; als müßten wir selbst versinken und vergehen. Aber dem ist nicht so. In der Tat werden wir auf einen sicheren Weg gestellt, allerdings auf einen dunklen Weg, einen in Nacht gehüllten: den Weg des Glaubens. Es ist ein Weg, denn er führt zum Ziel der Vereinigung. Aber es ist ein nächtlicher Weg, denn im Vergleich mit der klaren Einsicht des natürlichen Verstandes ist der Glaube eine dunkle Erkenntnis: er macht uns mit etwas bekannt, aber wir bekommen es nicht zu sehen.“[39]

In „Endliches und ewiges Sein“ schrieb sie: „Der Glaube ist ein >dunkles Licht<. Er gibt uns etwas zu verstehen, aber nur, um uns auf etwas hinzuweisen, was für uns unfaßlich bleibt. Weil der letzte Grund alles Seienden ein unergründlicher ist, drum rückt alles, was von ihm her gesehen wird, in das >dunkle Licht< des Glaubens und des Geheimnisses.[40]

Noch einmal aus der „Kreuzeswissenschaft“: „Wenn die Seele erkennt, dass Christus in der äußersten Erniedrigung und Vernichtung am Kreuz das Größte gewirkt hat, die Versöhnung und Vereinigung der Menschheit mit Gott, dann erwacht in ihr das Verständnis dafür, dass auch für sie das Vernichtetwerden, der >Kreuzestod bei lebendigem Leibe, im Sinnlichen wie im Geistigen<, zur Vereinigung mit Gott führt. Wie Jesus in seiner Todesverlassenheit sich in die Hände des unsichtbaren und unbegreiflichen Gottes übergab, so wird sie sich hingeben in das mitternächtliche Dunkel des Glaubens, der der einzige Weg zu dem unbegreiflichen Gott ist. So wird ihr die mystische Beschauung zuteil, der >Strahl der Finsternis<, die geheimnisvolle Gottesweisheit, die dunkle und allgemeine Erkenntnis: sie allein entspricht dem unfaßlichen Gott, der den Verstand blendet und ihm als Finsternis erscheint. Sie strömt in die Seele ein und kann es umso lauterer, je freier die Seele von allen Eindrücken ist. Sie ist etwas viel Reineres, Zarteres, Geistigeres und Innerlicheres als alles, was der Erkenntnis aus dem natürlichen Geistesleben bekannt ist, auch hinausgehoben über die Zeitlichkeit, ein wahrer Anfang des ewigen Lebens in uns. Es ist kein bloßes Annehmen der gehörten Glaubensbotschaft, kein bloßes Sichzuwenden zu Gott, den man nur vom Hörensagen kennt, sondern ein inneres Berührtwerden und ein Erfahren Gottes, das die Kraft hat, von allen geschaffenen Dingen loszulösen und emporzuheben und zugleich in eine Liebe zu versenken, die ihren Gegenstand nicht kennt.[41]

Und in einem Brief schreibt sie, dass sie hofft, endlich einmal, in der Ewigkeit, alles klar sehen und verstehen zu können, was für sie jetzt nur unbegreifliches Geheimnis ist. „Meine große Freude ist die Hoffnung auf künftige Klarheit. Der Glaube an die geheime Geschichte muss uns auch immer stärken, wenn das, was wir äußerlich zu sehen bekommen (an uns selbst und an den anderen), uns den Mut nehmen möchte.[42]

Ich habe das nicht zitiert, um sie gegen Elie Wiesel auszuspielen, sondern um das Feld zu beschreiben, in dem ich suche. Auch Elie Wiesel ist nicht einfach Atheist; der letzte Satz des Abschnittes, den ich zitiert habe, lautete: „Nie werde ich das vergessen, und wenn ich dazu verurteilt wäre, solange wie Gott zu leben…“. „Solange wie Gott zu leben“ … – also lebt Gott. Das ist wie ein getarntes Glaubensbekenntnis. Wiesel sagte auch, man könne Auschwitz nicht mit Gott verstehen und man könne es nicht ohne Gott verstehen.[43]

4. Wie sah sie ihr Verhältnis zum jüdischen Volk?

Wir wissen, dass sie ihr Volk geliebt hat. Wir wissen, dass sie manchmal sehr verärgert war, wenn in ihrem Umfeld antijüdische Bemerkungen fielen. Sie schrieb die autobiographische Geschichte ihrer Familie, um besonders der katholischen Jugend zu zeigen, wie jüdisches Leben ganz realistisch aussieht, entgegen aller Propaganda. Sie hat sich zutiefst innerlich glücklich gefühlt, dass Jesus von ihrer Familie, ihres Blutes war.

Aber trotzdem, in ihrem Testament schrieb sie: „Schon jetzt nehme ich den Tod, den Gott mir zugedacht hat, in vollkommener Unterwerfung unter seinen heiligsten Willen mit Freude entgegen. Ich bitte den Herrn, dass er mein Leben und Sterben annehmen möchte zu seiner Ehre und Verherrlichung, für alle Anliegen des Heiligen Herzens Jesu und Mariae und der Heiligen Kirche, insbesondere für die Erhaltung, Heiligung und Vollendung unseres heiligen Ordens, namentlich des Kölner und Echter Karmels, zur Sühne für den Unglauben des jüdischen Volkes und damit der Herr von den Seinen aufgenommen werde und sein Reich komme in Herrlichkeit, für die Rettung Deutschlands und den Frieden der Welt, schließlich für meine Angehörigen, lebende und tote, und alle, die mir Gott gegeben hat: dass keiner von ihnen verloren gehe.[44]

Was bedeutet das, dass sie ihr Leben aufopfert, aufopfern will „zur Sühne für den Unglauben des jüdischen Volkes“? Manchmal wird dieser Gedanke in Lebensbeschreibungen Edith Steins ausgelassen und die Auslassung mit  drei Punkten gekennzeichnet, oder es wird mit anderen Worten anders gesagt: „Für ihr Volk, für die Deutschen, für den Frieden“… Und das ist auch gut so, um Missverständnisse zu vermeiden. Aber wenn wir ehrlich sein wollen, müssen wir Rechenschaft geben darüber, was wir mit der Heiligsprechung von Edith Stein, damit, dass ihr Glaube uns Vorbild sein soll, meinen. Was bedeutet das: sie sühnt für den Unglauben des jüdischen Volkes? Ist das nicht das tödliche, alte, antijüdische Klischee, das hier durchschlägt? Deshalb möchte ich genau darauf eingehen und fragen: Wie hat Edith Stein das gemeint? Natürlich hat sie vor dem II. Vaticanum gelebt, und heute würde sie es vielleicht anders formulieren. Aber die Sätze stehen da. Sie hat sie so gemeint, wie sie dastehen. Also: wie hat sie sie gemeint?

 

a) „Unglaube“

Zuerst das Wort „Unglauben“. Was meinte Edith Stein mit „Unglauben des jüdischen Volkes“? In den Augen von Edith Stein ist nicht das jüdische Volk als solches ungläubig, denn vom starken Glauben ihrer Mutter hielt sie viel und war überzeugt, dass er sie zu Gott führte. Der „Unglaube der jüdischen Volkes“ bezieht sich m.E. allein auf die Ablehnung von Jesus als Messias.

Wir wissen, dass es für die Mutter ein Schock war, wie ein tiefer Verrat, dass ihre Lieblingstochter katholisch wurde und dann in den Karmel ging. Edith Stein schrieb darüber: „Die letzten Wochen zu Hause und der Abschied waren natürlich sehr schwer. Meiner Mutter etwas verständlich zu machen, war ganz unmöglich. Es bleibt in seiner ganzen Härte und Unfasslichkeit stehen und ich konnte nur gehen in dem festen Vertrauen auf Gottes Gnade und die Kraft unseres Gebetes. Dass meine Mutter selbst gläubig ist, schließlich ihre auch immer noch so starke Natur machen es etwas leichter.[45]

Und wir wissen, immer wenn Edith Stein nach Hause kam oder wenn die Mutter Briefe schrieb, war es sehr schwierig und spannungsreich, diese Frage zu besprechen. Die Mutter attackierte sie, auch gegenüber den Geschwistern.[46]

Einmal – Edith Stein ging mit in die Synagoge, wenn sie zu Hause war – einmal ging die Mutter extra den langen Weg zu Fuß zurück, um Zeit zu haben, mit ihrer Tochter Edith zu sprechen. Sie fragte ihre Tochter: „Man kann also auch jüdisch fromm sein?“ Edith Stein antwortete: „Gewiß, wenn man nichts anderes kennengelernt hat.“  „Warum“, fragte die Mutter, „warum hast du ihn kennengelernt?“ – Und dann aber: „Ich will nichts gegen ihn sagen.  Er mag ein guter Mensch gewesen sein. Aber warum hat er sich zu Gott gemacht?[47]

Das ist das – religiöse – Schlüsselproblem zwischen Juden und Christen. Warum hat er sich zu Gott gemacht?! Und, ganz praktisch, in Auschwitz ist eines der Argumente der orthodoxen Juden, dass es ihnen verboten ist, in der Nähe des Kreuzes zu beten, weil die hebräische Bibel verbiete, in der Nähe von Götzendarstellungen zu beten. Wenn die Darstellung von Jesus, dem Gekreuzigten, verstanden wird als Darstellung eines Götzen, (‚Gott ist im Himmel, und da ist noch ein Gott?‘) – dann ist es für fromme Juden verboten, dort zu beten; das ist eines der religiösen Argumente dafür, dass in Auschwitz, auf dem jüdischen Friedhof, kein Kreuz sein darf. Im Milieu des christlich-jüdischen Dialoges herrscht meist ein Konsens darüber vor, dass es uns ja um denselben Gott geht, dass wir, wenn wir glauben, dass er sich in Christus offenbart hat, nicht an einen zusätzlichen zweiten  – und dann dritten – Gott glauben, sondern an eine Offenbarungsweise. Aber das ist hier jetzt nicht auszuführen. Ich möchte hier nur betonen, dass die Ablehnung des Christentums bei der Mutter aus ihrer Treue zu ihrem Gottesverständnis kommt.

Edith Stein schrieb in einem Brief: „Darum habe ich meiner Mutter weder die Konversion noch den Eintritt in den Orden je verständlich machen können. […] Ich kann nur darauf bauen, dass sie ihr Leben lang ein kindliches Gottvertrauen hatte und dass es ein Opferleben war.[48] Und: „Das ‚Scimus, quoniam diligentibus Deum…‘ [Wir wissen, dass denen, die Gott lieben, alles zum Besten gereicht, Röm. 8,28] wird gewiß auch meiner lieben Mutter zugutekommen, denn sie hat ‚ihren‘ lieben Gott (wie sie oft mit Nachdruck sagte) wirklich lieb gehabt und im Vertrauen auf ihn viel Schweres getragen und viel Gutes getan.“[49] Oder: „Es hat mir immer sehr fern gelegen zu denken, dass Gottes Barmherzigkeit sich an die Grenzen der sichtbaren Kirche binde.[50]

Der Schlüsseltext für mich stammt vom Fest Kreuzerhöhung im Jahr 1936, dem Jahr, als ihre Mutter starb. Am Fest Kreuzerhöhung, darauf habe ich schon hingewiesen, war im Karmel Gelübdeerneuerung. „Als ich an der Reihe war, meine Gelübde zu erneuern, empfand ich, dass meine Mutter bei mir war. Ich habe ihre Nähe deutlich erfahren.“ Ein Telegramm aus Breslau bestätigte, dass ihre Mutter genau in diesem Augenblick gestorben war. Das war für Teresa Benedicta ein großer Trost. Danach waren Gerüchte aufgekommen, die Mutter hätte sich vor ihrem Tod bekehrt. Edith Stein dazu: „Die Nachricht von ihrer Konversion war ein völlig unbegründetes Gerücht. Wer es aufgebracht haben mag, weiß ich nicht. Meine Mutter hat bis zuletzt an ihrem Glauben festgehalten. Aber weil ihr Glaube und das feste Vertrauen auf ihren Gott von der frühesten Kindheit bis in ihr 87. Jahr standgehalten hat und das Letzte war, was noch in ihrem schweren Todeskampf in ihr lebendig blieb, darum habe ich die Zuversicht, dass sie einen sehr gnädigen Richter gefunden hat und jetzt meine treueste Helferin ist, damit auch ich ans Ziel komme.“[51] Das ist im Grunde ein ungeheurer Satz. Die Mutter, die gläubige Jüdin, ist jetzt bei Gott als Fürsprecherin für ihre christliche Tochter, Fürsprecherin dafür, dass auch ihre Tochter das Ziel erreicht, wo sie schon ist, bei dem Gott der Väter. Die jüdische Mutter ist für Edith Stein die beste Fürsprecherin: Edith Stein hat ihren Weg als Christin immer als ihren Weg zu ihrem gemeinsamen Gott verstanden.

Wenn Edith Stein vom Unglauben der Juden schrieb, dann wünschte sie natürlich, dass sie – so wie sie selbst – sehen, wie sehr Gott sie in Jesus Christus liebt.[52] Aber wenn sie das nicht sehen können, doch Gott die Treue halten wie ihre Mutter, dann ist das ihr Weg zum Ziel. Nur in diesem Kontext ist das Wort ‚Unglaube‘ zu verstehen: ohne jeden Schuldvorwurf.

 

b) „Sühne“

Und jetzt das zweite Wort: Sühne. Was meinte Edith Stein mit ‚Sühne für den Unglauben‘?

Edith Stein schrieb: „Meine Mutter war das starke Band, das die Familie zusammenhielt, jetzt schon vier Generationen. Jetzt hält sie noch die Sorge um sie alle gefesselt […] Was dann kommt, wird für die Zurückbleibenden schwerer sein. Ich werde mein ganzes Leben hindurch für sie einstehen müssen.[53] Sie sah, dass sie in ihrer Familie die Rolle ihrer Mutter übernahm. Sühne ist, davon bin ich tief überzeugt, fast ein anderes Wort für Mutterliebe. Die Mutter hatte die Familie zusammengehalten. Es war eine sehr lebendige und schwierige Familie. Die Mutter hatte ihr Leben aus der Kraft ihres Glaubens dafür aufgeopfert. Und da, wo sie nicht mehr konkret helfen konnte, hatte sie zu Gott gebetet und war vor Gott für ihre Kinder eingestanden. Und sie hatte Ihn – so verstehe ich das – angefleht: ‚Meine Kinder gehen so viele verschiedene Wege. Wenn sie Schuld haben, rechne ihnen ihre Schuld nicht an, sondern rechne das alles mir an!‘  –  Das ist, denke ich, ein Urbedürfnis für eine liebende Mutter, so zu flehen. ‚Rechne ihnen ihre Schuld nicht an, rechne sie mir an. Ich nehme deren Schuld auf mich.‘

Dieses Eintreten vor Gott für ihre Kinder verstand Edith Stein jetzt als ihre Rolle in Bezug auf ihre konkrete Familie und in Bezug auf ihr ganzes Volk. Und sie war auch überzeugt, dass ihre Mutter im Himmel für ihre Kinder weiter einsteht.  Sie schrieb: „An Allerseelen werden wir beide [mit Bruder Arno] unserer Mutter gedenken. Dieses Gedenken ist für mich immer sehr trostvoll. Ich habe das feste Vertrauen, dass meine Mutter jetzt Macht hat, ihren Kindern in der großen Bedrängnis zu helfen.[54] Einzustehen, vor Gott da zu sein für die anderen, sie mit ihrer Liebe nicht zu verlassen, das war jetzt ihre Aufgabe. Sie schrieb: „Ich vertraue, dass die Mutter aus der Ewigkeit für sie sorgt. Und darauf, dass der Herr mein Leben für alle angenommen hat. Ich muss immer wieder an die Königin Esther denken, die gerade darum aus ihrem Volk genommen wurde, um für das Volk vor dem König einzustehen. Ich bin eine sehr arme und ohnmächtige kleine Esther, aber der König, der mich erwählt hat, ist unendlich groß und barmherzig. Das ist ein so großer Trost.[55]

Sie verstand den Karmel, den Sinn des Karmel in diesem Einstehen vor Gott – für das Volk. Der Prophet Elija auf dem Berg Karmel stand vor Gott für das Volk: „‚So wahr der Herr, der Gott Israels, lebt, vor dessen Angesicht ich stehe …‘ (3 Kön. 17,1). Vor dem Angesicht des lebendigen Gottes stehen – das ist unser Beruf.[56]Die Ordenslegende berichtet, dass die Gottesmutter gern bei den Einsiedlerbrüdern auf dem Berge Karmel geweilt habe. Wir verstehen wohl, dass sie sich an den Ort hingezogen fühlte, wo ihr von alters her Verehrung gezollt wurde und wo der heilige Prophet in demselben Geist gelebt hatte, den auch sie erfüllte, seit sie auf der Erde weilte: losgelöst von allem Irdischen anbetend vor Gott zu stehen, ihn aus ganzem Herzen zu lieben, seine Gnade auf das sündige Volk herabzuflehen und genugtuend für dieses Volk einzustehen, als Magd des Herrn seines Winkes gewärtig zu sein – das war ihr Leben.“[57] So sah sie die Rolle des Karmel und ihre eigene Rolle im Karmel. „Es ist ein Grundgedanke alles Ordenslebens, vor allem aber des Karmellebens, durch freiwilliges und freudiges Leiden für die Sünder einzutreten und an der Erlösung der Menschheit mitzuarbeiten.[58]

c) Das Kreuz und die Juden

Wie verstand Edith Stein das Kreuz in diesem Zusammenhang? Für sie ist klar, dass das Kreuz in ihrem Leben das Schicksal des jüdischen Volkes in dieser Zeit der Verfolgung war. Zu Besuch im Karmel Köln-Lindenthal bei einer Gebetsstunde in der Fastenzeit 1933: „Ich sprach mit dem Heiland und sagte ihm, ich wüsste, dass es sein Kreuz sei, das jetzt auf das jüdische Volk gelegt werde. Die meisten verständen es nicht; aber die es verständen, die müssten es im Namen aller bereitwillig auf sich nehmen. Ich wollte das tun. Er solle mir nur zeigen, wie. Als die Andacht zu Ende war, hatte ich die innere Gewissheit, dass ich erhört sei. Aber worin das Kreuztragen bestehen sollte, das wusste ich noch nicht.[59] Und später schrieb sie, dass sie genau in diesem Hinblick ihren Ordensnamen gewählt habe. „Ich muss Ihnen sagen, dass ich meinen Ordensamen schon als Postulantin mit ins Haus brachte [1933]. Ich erhielt ihn genauso, wie ich ihn erbat. Unter dem Kreuz verstand ich das Schicksal des Volkes Gottes, das sich damals anzukündigen begann. Ich dachte, die es verstünden, müßten es im Namen aller auf sich nehmen. Gewiß weiß ich heute [1938] mehr davon, was es heißt, dem Herrn im Zeichen des Kreuzes vermählt zu sein. Begreifen wird man freilich niemals, weil es ein Geheimnis ist.“[60]

Schluss

Edith Stein ist für mich Wegweiserin wegen ihrer Wahrhaftigkeit, wegen ihrer eindeutigen Liebe zu ihrem Volk, wegen ihrer inneren Bereitschaft, diesen Weg zu gehen, wegen der Klarheit ihres christlichen Glaubens, der sie dazu führt, radikal und ohne einen Schatten, liebend und solidarisch mit dem Schicksal der Juden zu sein. Diese Einheit von christlichem Glauben und Liebe zum Volk der Juden in Auschwitz verkörpert sie für mich.

Edith Stein ist ein Aspekt in Auschwitz, und es gibt sehr, sehr viele Aspekte. Im Verhältnis von Christen und Juden brauchen wir bestimmt eine erneuerte Theologie, eine neue Aufarbeitung und ein tieferes Verständnis dessen, was dieses Verhältnis bedeutet. Und dabei muss sich nicht nur im Kopf, sondern auch in unseren Herzen etwas ändern.

Wenn ich Führungen durch die Gedenkstätte mache, erschüttert mich immer besonders der Raum mit den vielen Haaren, und dass ich davon erzählen muss, dass Menschen in Auschwitz nur noch Material waren. Haare wurden zu Stoffen, Goldzähne wurden zu Goldbarren, Asche wurde zu Dünger auf den Feldern. Es gab nicht mehr die Spur von Totenehrung. Es gab nicht mehr die Spur von Ehrung der Lebenden. Was ist da mit dem Menschen passiert? Wie sehen wir heute den Menschen? Edith Stein hat die letzten Jahre (1932/33) als Dozentin in Münster ganz intensiv an der Frage nach dem Menschenbild, an einer Anthropologie gearbeitet.[61] Wir brauchen dieses Ringen um den Menschen, um die Würde des Menschen, sehr. Das ist ein Bereich, den ich jetzt nicht näher besprochen habe, für den ich aber Edith Stein sehr wichtig finde.

Wichtig ist die Frage: Wie bekennen wir heute, nach Auschwitz, in Bezug auf Auschwitz, unseren Glauben? Wie bekennen wir ihn so, dass er nicht bedrohend ist für andere, die ihn nicht mit vollziehen können? Oft müssen wir sicher schweigen. Aber wir müssen auch Antwort geben können, wenn uns jemand fragt: Was ist dein Glaube? Woran orientierst du dich? Was denkst du wirklich? Und dann: Was bedeutet das, was du wirklich denkst, für mich? Diese Antwort auf die Aufforderung ‚gib Rechenschaft!‘ (1 Petr 3, 15f.) muss so formuliert sein, dass der andere als der andere, dem die Antwort gegeben wird, grundsätzlich und fundamental ganz ernst genommen wird. Mein Glaubensbekenntnis selbst muss im Dialog Ausdruck des Respektes vor dem Anderen sein. Und da verstehe ich auch Edith Stein als Hilfe; denn gleichzeitig mit ihrem christlichen Glaubensbekenntnis führt sie uns doch als Christen nach Auschwitz, wo sie als Jüdin ermordet wurde. Sie führt uns zu dem Schicksal der Juden als Juden. Die Verehrung von Edith Stein wird für uns Christen und für den Rest der Welt dann gut sein, wenn sie dazu führt, in diesem Dialog die Juden als Juden ernst zu nehmen. Die Bekehrung ist ein Geheimnis, das sich im Herzen abspielt. Die Aufgabe ist zu lieben. Diese beiden Aspekte von: Identität haben, aber diese Identität so haben, dass ich den anderen ernst nehme, ist die Grundvoraussetzung für jeden Dialog.

Trotzdem ist es so, dass Dialog oft nicht geht, weil zu viele Emotionen, zu viele Verletzungen noch da sind. Bevor wir anfangen zu reden, zu diskutieren, Recht zu haben, muss Vertrauen geschaffen werden. Und wir als Christen in Deutschland müssen, um dieses Vertrauen zu schaffen, Ernst machen mit unserer Gewissenserforschung. Auf uns selber schauen. Betroffenheit zulassen von unserer Geschichte des Versagens und der Verbrechen. Und dann Umkehr durchleben, erarbeiten. Das passiert viel zu wenig.

Ich möchte schließen mit einem Zeugnis aus dem Jahr 1962. Herr Wielek, der Edith Stein im Lager Westerbork getroffen hatte, hat folgendes erzählt: Edith Stein bat ihn, einen Brief zu schreiben. „‚Schreiben Sie, bitte, nach Echt, dass man uns noch Rosenkränze schickt‘, bat sie. Ich kann mich noch erinnern, wie merkwürdig mir diese Situation vorkam: der jüdische Rat schreibt von dem Judenlager Westerbork nach einem Kloster in Echt und stellt eine solche Frage… Ich habe hierüber mit Teresia Benedicta gesprochen, und sie ant­wortete: ‚Die Welt besteht aus Gegensätzen. Manchmal ist es gut, dass diese be­stehen. Eine Milderung kann dann ein Vertuschen bedeuten, und das ist nicht gut. Schließlich wird nichts von diesen Kontrasten übrigbleiben. Nur die große Liebe wird bleiben. Wie sollte es auch sonst möglich sein…?‘“ [62]

[1] Vortrag für die Edith-Stein-Gesellschaft Deutschland am 29.04.2000 in Würzburg. Die folgenden Überlegungen gehen zum Teil auf Gedanken zurück, die ich auf Bitten der polnischen staatlichen Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau in Oświęcim im Sommer 1999 einer Gruppe von Mitarbeitern der Jerusalemer Gedenkstätte Yad Vashem vorgetragen habe. Veröffentlicht für die Edith-Stein-Gesellschaft Deutschland 2002, überarbeitet 2019.

[2] A. Rosen­berg, Das Wesensgefüge des Natio­nalsozialismus, München 1933.

[3] Ein Onkel von mir, Priester in Aachen, kam nach Dachau, weil er bei Hausbesuchen Eltern sagte, sie sollten ihre Kinder nicht in die Hitlerjugend schicken.

[4] Ich bin kein Jude. Deshalb kann ich hier nur darstellen, was ich meine, im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung um die religiöse Bedeutung von Auschwitz verstanden zu haben. Dieselbe Einschränkung gilt weiter unten in Bezug auf die Darstellung der polnischen Perspektive.

[5] Vgl. Heinrich Heine, der vom Christentum als Eintrittskarte in die europäische Kultur sprach.

[6] In Bezug auf die Frage der Anwesenheit des „Papstkreuzes“ am Rande des Stammlagers in Auschwitz hat diese Argumentation Prof. Zwi Werblowsky von der Hebrä­ischen Universität Jerusalem in seiner praktischen Konsequenz umgedreht: „Wenn jemandem daran gelegen sein könnte, die Kreuze zu entfernen, dann vor allem den Kirchen, um die Erinnerung an die tödliche anti-jüdische Vergangenheit – man könnte auch von einer »historischen Komplizen­schaft« sprechen – auszulö­schen. Juden dagegen sollten darauf bestehen, dass dieses Zeichen der Erinnerung aktueller Geschichte weiterhin in Großbuchstaben sichtbar bleibt.“ Am 4. Juni 1999 in einem Kommentar in der Jeru­sa­lem Post. Zit. nach FrRuNF 1/2000, S. 78.

[7] LTHK 1, Herder: Freiburg, Basel, Rom, Wien 1993, Sp. 1260f.

[8] Kreuz und Kloster in Auschwitz? Erklärung des Gesprächskreises „Juden und Christen“ beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken vom 4.04.1990.

[9] Als Gott weinte: Theologie nach Au­schwitz. Hg. v. GÖRG, Manfred u. LANGNER, Mi­cha­el, Regensburg: Pustet, 1997. ISBN 3-7917-1567-4. S. 9.

[10] Memoria Passionis. Herder, Freiburg i. Br. 2006

[11] Vgl. z.B. Peter von der Osten-Sacken, Christliche Theologie nach Auschwitz. In: Als Gott weinte: Theologie nach Au­schwitz. A.a.O., S. 25. Oder: Birte Petersen, Theologie nach Auschwitz? Jüdische und christliche Versuche einer Antwort. Berlin: Inst. Kirche und Judentum, 1996. ISBN 3-923095-25-2. S. 121.

[12] Kreuz und Kloster in Auschwitz? A.a.O., S. 4f.

[13] Erklärung des Rates der Polnischen Bischofkonferenz zu den Kreuzen in Oświęcim vom 26.08.1998. Eigene Übersetzung.

[14] Tiemo Rainer Peters, Zehn Thesen zu einer Christologie nach Auschwitz. Zehnte These. In: Jürgen Mannemann, Johann Baptist Metz (Hrsg.), Christologie nach Auschwitz. Stellungnahmen im Anschluß an Thesen von Tiemo Rainer Peters. Münster: LIT, 1998. ISBN 3-8258-3979-6. S. 5.

[15] Für Juden ist der wichtigste Bezugspunkt der Exodus, der Auszug Israels aus der Gefangenschaft in Ägypten und der Bundesschluß am Sinai. In diesem Unterschied liegt meines Erachtens die größte theologische Herausforderung für den christlich-jüdischen Dialog im Hinblick auf Auschwitz.

[16] Vgl. z. B. Eliezer Berkovits, In the Beginning Was the Cry. In: Holocaust. Religious and philosophical implications. Ed. by John K. Roth & Michael Berenbaum. St. Paul, Minnesota, USA: Paragon House 1989. ISBN 1-55778-187-7 (1-55778-212-1 pbk). S. 298-301.

[17] Gebet am 12. März 2000 beim Schuldbekenntnis- und Vergebungsbitten-Gottesdienst in Rom und am 26. März 2000 an der Klagemauer in Jerusalem.

[18] Jan Paweł II, U Żródeł chrześcijaństwa. Przemówenia i homilie z pielgrzymki do Ziemi Świętej. Wyd. M: Kraków 2000. ISBN 3-7221-015-2. S. 100. Eigene Übersetzung.

[19] Motu proprio vom 2.10.1999, Nr. 9.

[20] Vortrag in der Gedenkkirche Maria Regina Martyrum aus Anlass der Heiligsprechung von Edith Stein, Berlin am 12. Oktober 1998.

[21] Danach eskalierte das Engagement der sog. „Verteidiger des Kreuzes“. Vgl. oben Kap. I, A, 4: Kreuz als polnisches nationales Symbol.

[22] In: Gideon Greif, Wir weinten tränenlos … Augenzeugenberichte der jüdischen „Sonder­kommandos“ in Auschwitz. Köln, Weimar, Wien: Böhlau, 1995. S. 176-178.

[23] Edith Stein Werke, Bde. I – XVII; Herder: Freiburg, 1950-1994. Im Folgenden abgek.: EWS. Hier: ESW X, Romaeus Leuven, Heil im Unheil, S. 65.

[24] ESW X, 77. [Edith Stein Gesamtausgabe, Herder, Freiburg ab 2001. Im Folgenden abgek.: ESGA. Hier: Bd. 1, S. 346]

[25] ESGA 28, Br. 251.

[26] In: T.R. Posselt, Edith Stein. Eine Frau unseres Jahrhunderts. Freiburg: Herder, 91963, S. 131. [ESGA 1, S. 349] ESGA 28, Br. 251.

[27] ESW XI, 157. [ESGA 20, S. 229]

[28] ESW XI, 150. [ESGA 20, S. 146]

[29] EWS IX, 167. [ESGA 3, Nr. 710]

[30] ESW X, 147. [ESGA 3, Nr. 614]

[31] EWS IX, 127. [ESGA 3, Nr. 586]

[32] ESW X, 39. [Zitat aus der Erinnerung von Sr. Teresia Renata. Nicht in ESGA.]

[33] ESW XI, 169. (ESGA 20, S. 242]

[34] ESW XI, 122f. [ESGA 20, S. 111]

[35] ESW XI, 124ff. [ESGA 20, S. 119-121]

[36] ESW I, 107. [ESGA 18, S. 100]

[37] Vgl. Michael Berenboim, The Vision of the Void. Theological reflections on the works of Elie Wiesel. Weselayan University Press, Middletown, Connecticut, pb 1982, p. 33.

[38] Elie Wiesel, Die Nacht zu begraben, Elischa. Frankfurt/M; Berlin: Ullstein 41992, S. 56.

[39] ESW I, 39. [ESGA 18, S. 38]

[40] ESW I, 25. [ESGA 11/12, S. 32]

[41] ESW I, 107. [ESGA 18, S. 100]

[42] ESW IX, 157. [ESGA 3, Nr. 693]

[43] Vgl. B. Petersen, a.a.O., S. 42.

[44] ESW X, 148f. [ESGA 1, S. 375]

[45] Brief v. 31.10.1933 [ESGA 3, Nr. 294]

[46] Vgl. z.B. ESW IX, 10. [ESGA 3, Nr. 325]

[47] ESW X, 80. [ESGA 1, S. 360]

[48] ESW IX, 60. [ESGA 3, Nr. 467]

[49] ESW IX, 64. [ESGA 3, Nr. 476]

[50] ESW IX, 102. [ESGA 3, Nr. 542]

[51] ESW X, 116f. Vgl. ESW IX, 68. [ESGA 3, Nr. 482]

[52] Am deutlichsten kommt das wohl in dem Text zum Ausdruck „Nächtliche Zwiesprache“ ESW XI, 165ff. [ESGA 20, S. 238ff]

[53] ESW IX, 64. [ESGA 3, Nr. 476]

[54] ESW IX, 120. [ESGA 3, Nr. 572]

[55] ESW IX, 121. [ESGA 3, Nr. 573]

[56] ESW XI, 2. [ESGA 19, S. 129]

[57] ESW XI, 4. [ESGA 19, S. 131f]

[58] ESW VIII, 125. [ESGA 2, Nr. 234]

[59] ESW X, 78. [ESGA 1, S. 348]

[60] ESW IX, 124. [ESGA 3, Nr. 580]

[61] Vgl. ESW XVI „Der Aufbau der menschlichen Person“ [ESGA 14] u. XVII „Was ist der Mensch?“ [ESGA 15]

[62] ESW X, 177.

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Edith Stein -> Gedenkorte -> Auschwitz (Oświęcim) 

Der Zug, der am 7. August 1942 in Westerbork abfuhr, kam am 8.8. im Konzentrationslager Auschwitz an. Hier gibt es keine spezifischen Informationen über Edith Stein oder ihre Schwester Rosa mehr. Von diesem Transport sind 315 Männer und 149 Frauen selektiert worden, um als Häftlinge im Lager Sklavenarbeit zu leisten. Sie wurden registriert und bekamen die Nummern 57405-57719 bzw. 15812-15960. Edith und Rosa Stein waren nicht dabei. Sie wurden mit den übrigen 521 Gefangenen zu den Gaskammern gebracht. Damals, im Sommer 1942, waren das zwei umgebaute Bauernhäuser, ein weiß getünchtes, das sog. „Weiße Haus“ oder Bunker II, und ein nicht getünchtes sog. „Rotes Haus“, Bunker I. (Die großen Menschenmassenvernichtungsfabriken wurden erst 1943 fertig.) Wahrscheinlich am 9. August 1942 wurden sie vergast und dann ihre Leichen in großen Gruben verbrannt.

Die verbliebenen Fundamente des sog. “Weißen Hauses”, dem mutmaßlichen Todesort von Edith und Rosa Stein.
Die Wagen stehen heute an der Stelle, wo 1942 die Transportzüge ankamen. Von dort war es ca. 45 Minuten Fußweg zum “Weißen Haus”.

Staatliche Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau 

http://www.auschwitz.org

Karmel von der Gemeinschaft der Heiligen

http://www.karmeloswiecim.opw.pl

Zentrum für Dialog und Gebet (Gästehaus)

http://www.cdim.pl

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